Volltext: Schreib das auf, Kisch!

nun wahr und nicht wahr. Ich hatte ihr allerdings absichtlich 
so wenig geschrieben, damit sie sich nicht an mich gebunden 
fühle, damit sie ihre Freiheit habe, wenn ich mich in Berlin 
unterhalte. Aber insgeheim hatte ich doch geglaubt, sie würde 
mir auch treu bleiben, wenn sie andere Leute kennenlernen 
und an verschiedenen Vergnügungen teilnehmen werde. 
Um 6 Uhr 20 Minuten abends ging mein Zug nach Pisek. Zu 
Hause aß ich zu Mittag und sprach mit meinen Brüdern, die 
nicht einrücken, da sie zu jenen Korps gehören, die nicht mobi¬ 
lisiert sind. Wir machten Witze, um Besorgnisse der Mutter zu 
zerstreuen, und dann fuhr ich zur Bahn. Dort drängten sich 
Hunderte von Reservisten um die Kasse, in ihrer Mitte ein 
hübsches Mädel. 
Ich bot mich an, ihr die Fahrkarte zu lösen, was sie gern 
annahm. Wir kamen ins Gespräch, und während wir im 
zusammengepferchten Eisenbahnzug nebeneinandersaßen, er¬ 
zählte sie, daß sie nach Pisek fahre, wo morgen ihre Kriegs¬ 
trauung mit einem ins Feld abgehenden Reserveoffizier statt- 
finde. Sie hegte nur die Befürchtung, daß ihr Bräutigam sie 
nicht auf dem Bahnhof erwarten werde, da man auf dem Post¬ 
amt die Absendung ihres Telegramms abgelehnt hatte, und die 
Züge unregelmäßig verkehren. Ihre Befürchtung steigerte sich, 
als sie von den Mitpassagieren erfuhr, daß in Pisek die Züge 
in zwei Stationen halten, in „Pisek Haltestelle“ und in „Pisek 
Stadt“, und daß es ganz ausgeschlossen sei, dort im Hotel ein 
Zimmer zu bekommen, weil die Stadt voll von Offizieren und 
jedes Zimmer mit sieben bis acht Personen belegt sei. Nun war 
sie verzweifelt, so spät abends dort einzutreffen und vielleicht 
allein in der Stadt die ganze Nacht umherirren zu müssen, da 
sie doch das Haus Pisek 217 nicht finden und — fände sie es 
auch — ein fremdes Haus nicht alarmieren könne. Die Pas¬ 
sagiere rieten ihr, in Pfibram die Fahrt zu unterbrechen, zu 
übernachten und um 6 Uhr morgens weiterzufahren. Ich nahm 
diese Anregung auch für mich auf und erklärte, es ebenso 
13
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.