Volltext: Alt-Wien [72/73/74]

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auszuziehen pflegen. Nach der Tafel trinken sie Cafféè und spielen 
selbfünf bis an den Abend, da sie sich dann nach Hof begeben. 
Sobald sie von der Kaiserin weggehen, finden sie sich in einer 
Versammlung ein, woselbst Picquet oder Quadrille gespielet 
wird, worauf sie sich nach Haus begeben und, nachdem sie 
ausgekleidet, in einer kleinen geschlossenen Gesellschaft die 
Abendmahlzeit einnehmen. Endlich legen sie sich zur Ruhe und 
sind von Herzen vergnügt, daß sie ihren Tag so in Sorg⸗ 
losigkeit und ohne alle Arbeit zugebracht haben. 
Das Frauenzimmer der zweiten Ordnung, worunter ich 
die adelichen Weiber rechne, welche keinen weitern Titul haben, 
ingleichen der Beisitzer, Referendarien und Hofagenten— 
weiber, lässet nichts als Wohlleben in allen Stücken von sich 
blicken. Ihre Haäuser sind kostbar aufgebutzt und die Tafel 
über die Maßen herrlich. Es darf niemand einen Bissen haben, 
der niedlicher sei als bei einem Referendario, daß er nicht 
gleich darüber eifere; und wird dahero auch allemal das Beste 
für sie angeschafft. Ueberhaupt ist auch die Tafel dasjenige, 
wofür die Oesterreicher am allermeisten besorgt sind, und 
müssen dabei allerhand Getränke im Ueberfluß vorhanden und 
die Schüsseln alle sehr reichlich angefüllet sein. Wie sie dann 
zu dergleichen Ueberfluß in Speisen s olchermaßen gewöhnet sind, 
daß ich etliche junge Oesterreicher gekannt habe, welche be⸗ 
behaupten wollten, daß man in Frankreich keineswegs wohl 
gespeiset werde, weil man niemals allda zwei Kalbs-Viertel 
in einer Schüssel vorgesetzt bekäme. Gleichermaßen sind auch 
die vielerlei Sorten von Wein sehr bei den Mahlzeiten in 
Gebrauch, und verursachet dieses in der Tat große Unkosten, 
siutemalen die auswärtigen Weine wegen des starken Zolles 
hoch zu stehen kommen. Nichtsdestoweniger müssen 8 bis 10 
dergleichen Arten bei der Tafel sein, und ich kenne Häuser, 
wo man ihrer bis 18 aufsetzet. Es wird unter jeden Teller 
ein Zettul gelegt, worauf die verschiedenen Arten von Weinen, 
welche auf den Schenktisch vorhanden, nach einander auf— 
gezeichnet stehen. Der Burgersmann und andere Leute ge⸗ 
ringeren Standes tun es dem Adel soviel als möglich nach; 
und kann man wohl sagen, daß kein Volk in der Welt in seinem 
Aufwand weniger Verstand anwendet als dieses. 
Die Oesterreicher sind von Natur trotzig und hochmütig 
und verlangen, daß sich jedermann vor ihnen beugen soll. Sie 
stehen in den Gedanken, daß gleichwie ihr Kaiser den vor⸗ 
nehmsten Rang unter den christlichen Prinzen habe, also wären 
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