Volltext: Alt-Wien [72/73/74]

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Ministeriums zu lesen, welches die Schließung der Universität 
und die Entwaffnung der akademischen Legion verkündete. 
Man hatte zum fünften oder sechsten Male seit den Märztagen 
die Militärmacht aufgeboten, in der Hoffnung zu intimidieren, 
und doch fehlte, als es galt, der Mut, die Truppen zu brauchen. 
So geschah es, daß die abademische Legion, welche sich ohne jene 
drohende Maßregel in aller Stille aufgelöst haben würde, 
jetzt auseinanderzugehen für ehrenrührig erklärte. 
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Den 27. abends. 
So weit hatte ich gestern geschrieben, als ich durch das 
übermäßige Gebrüll auf den Straßen gestört wurde. Ich 
fahre in meinem Berichte fort. Die Handlungsweise des 
Ministeriums, welche man kaum ausschließlich auf Rechnung 
der Dummheit setzen kann, rief einen noch nie dagewesenen 
Sturm hervor. Die in den Märztagen und am 16. Mai nur 
glimmende Glut schlug zu hellen Flammen auf. Barrikaden 
wurden errichtet. Die schwache Militärabteilung vor der Aula 
mußte zurückgezogen werden. Während eines Bajonett- 
angriffs am Rotenturmtor entlud sich wiederum in unsrer an 
derlei unglücklichen Zufällen so reichen Zeit das Gewehr eines 
Rekruten. Ein armer, ganz unschuldiger Drechsler wurde von 
dem Schusse niedergestreckt. Jetzt stieg die Wut aufs höchste. 
Es war zehn Uhr morgens. Barrxikaden auf Barrikaden 
wuchsen aus der Erde. Das Wiener Pflaster liefert treff—⸗ 
liches Material zu diesen Bauten. Die Sturmglocke von 
St. Stephan ertönt. Generalmarsch wird geschlagen. Während 
die Nationalgarde zusammentritt, dringen die Proletarier der 
Vorstädte durch die Tore. Bürgermiliz wie Nationalgarde 
erklären sich für die Universität. Die seit Monaten hier 
weilenden faiseurs de barricades, meist Polen, wohl auch 
Franzosen, finden endlich unverhofft Beschäftigung. Mittags 
zwölf Uhr zieht das Ministerium seinen ominösen Befehl 
zurück, und das Militär marschiert in die Kasernen ab. Dabei 
beruhigten sich die Studenten, und das nervenangreifende 
mehrstündige Sturmläuten wurde gegen ein Uhr eingestellt. 
Die Aniversität jedoch, welche nie etwas anderes gewesen ist 
als das Werkzeug des polnisch-französischen demokratischen 
Komitees, war nicht mehr Herrin der Bewegung. Der Pöbel. 
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