Volltext: Alt-Wien [72/73/74]

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er Zeit hat, und wieder geht, daß die Lichter brennen und 
Heiligenbilder stehen, kann ich ganz wohl leiden. Es ist etwas 
Vertrauliches in dieser Verehrung. Ich gehe zuweilen, wenn 
ich müde gearbeitet, selber dahin; abends um sechs etwa. Die 
Kirche ist voll Menschen und sparsam erleuchtet; viele sitzen, 
biele stehen dem Hochaltar gegenüber. Man singt ein deutsches 
Lied, von dem ich nicht weiß, was es sagen will. Niemand hat 
ein Buch, die Weise ist nicht grad schön. Ich lehne mich an eine 
Säule in der Ecke, höre so zu: wo wäre ein andrer Ort so 
geeignet, an nichts zu denken und alles; einer für den, der nicht 
weiß, wie ihm in der Welt geschieht, der Gott sucht und nicht 
tennt, der eine Wissenschaft wünscht, die er nie erlangen wird — 
sich selbst zu beweinen? Eine Wissenschaft sage ich, und eine 
Tugend, die er nie erlangen kann — welche Geschöpfe sind 
vir doch! — 
Komm, laß uns das wieder vergessen: wir gehen aus der 
Kirche, in meine Stube, wo Du nicht eben viel Bücher, aber 
eine Menge Papiere, augenscheinlich Exzerpte, liegen siehst und 
billig fragst, was ich treibe. Ach sag mir doch, wie hat Dir mein 
letztes Buch gefallen »Was sagt Dir Schubert? Zu dieses 
Buches zweiten Teil, der von Idalien handelt, gehören die 
Exzerpte. Alle Morgen um neun gehe ich nach der Bibliothek. 
Dies ist eine außerordentlich reiche Sammlung, auch an 
Manuskripten, wie ich sie suche, sehr reich. Irgendein böser 
Erbe eines alten venezianischen Dogen, M. Foscarini, hat 
dessen Sammlungen und Schriften, ohne selbst seines Brief— 
wechsels zu schonen, hierher verkauft. Du kannst denken, daß 
ich. mit dieser Untat ganz zufrieden bin. Eben hier und in 
hier, fünf andern Abteilungen der hiesigen Handschriften⸗ 
sammlung sind eine Menge Relationen und authentische 
Schriften, die ich mit dem größten Vergnügen studiere. Aber 
Du mußt nicht denken, daß ich mich damit begnüge. Nein, ich 
bin noch mehr begünstigt. Soviel es auch Schwierigkeiten 
gemacht hat, ob man gleich einen förmlichen Abschlag vorauf⸗ 
Jesandt hat, so ist mir doch durch die unmittelbare Teilnahme 
des Fürsten Metternich und des Hofrates Gentz das Archiv 
eröffnet worden, d. h. ein Teil eben jenes venezianischen 
Archivs, von dem ich in der Vorrede zu meinem ersten Teil 
gehandelt habe. Es ist zwar nur ein kleiner Teil, und ich sehe 
besonders für die eigensten Verhältnisse dieses Staates nichts 
als Lücken; auch ist mir nur der Zugang, zu einigen Teilen
	        
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