Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

Brief, dem französischen Präsidenten poincare „diskret und unauffällig" zur 
Renntnis bringen. 
Eine tDoche später, am 3). März )9)7, hielt poincare das Schreiben des 
Kaisers in seiner Hand. 
Nicht einmal der österreichische Außenminister wußte von diesem Schritt. 
Als er später davon erfuhr, leugnete der Kaiser seinem eigenen Minister 
gegenüber alles ab und gab sein Ehrenwort für eine Lüge. 
Während die Schwager Karls schon mit dem Briefe auf dem Wege nach 
Paris waren, ließ der Kaiser seinen ahnungslosen Außenminister mit dem 
deutschen Reichskanzler in Berlin Besprechungen über ein Minimal-Friedens- 
Programm führen. Darin wurde die völlige Unversehrtheit Deutschlands und 
Österreich-Ungarns als Grundbedingung vorgesehen. Soweit war es mit der 
Bundestreue des österreichischen Kaisers schon gekommen, daß er ein solches 
Doppelspiel trieb. 
Kurze Zeit später kam Kaiser Karl mit seinem Minister persönlich nach 
Bad Homburg und traf dort Kaiser Wilhelm und den Kanzler. Dabei hatte 
der Habsburger die Stirn, seine Bundestreue zu betonen und, gestützt auf das 
unbedingte gegenseitige Treueverhältnis, von Deutschland zu fordern, daß es 
bereit sein möge, auf Elsaß-Lothringen zu verzichten, wenn anders ein Friede 
nicht zu erreichen sein werde. Nicht ahnend, daß in diesem Augenblick schon 
poincare von den Absichten des österreichischen Raifers wußte, wiesen Kaiser 
Wilhelm und der Reichskanzler das Ansinnen der Österreicher entrüstet zurück. 
Mit dem Judaskuß der Bundestreue fuhr Karl nach Wien zurück. 
Sie ruhten nicht lange in Wien. Schritt vor Schritt gingen sie auf dem 
einmal betretenen Weg weiter. Mitte April erhielt Kaiser Wilhelm ein 
Schreiben Kaiser Karls, dem eine Denkschrift des Grafen Czernin beigefügt 
war. Czernin schilderte die Lage Österreichs und der Mittelmächte in den aller- 
schwärzesten Farben. Mit Absicht waren starke Übertreibungen vorgenommen. 
Kaiser Karl wollte den deutschen Kaiser unbedingt friedensbereit machen. In 
seiner Denkschrift stellte der Minister zusammenfassend fest, daß Österreich am 
Ende seiner Kraft sei und daß Deutschland über den Spätsommer des laufenden 
Jahres hinaus nicht mehr auf Österreichs Hilfe rechnen könne. 
Der Reichskanzler schickte eine Antwort nach Wien, in der er den 'versuch 
machte, die sinkende Zuversicht zu heben. Er predigte tauben Ohren. 
Es war noch lange nicht genug. Czernin ließ dem deutschen Reichskanzler 
mitteilen, ein regelrechtes Friedensangebot der Entente liege vor. Der Reichs- 
kanzler begab sich sofort nach Wien. Mit großer Geheimnistuerei sprach 
Czernin von einem Versuch der Entente, zu einem Sonderfrieden mit Öfter- 
reich zu gelangen. Auf dem Wege über einen unbedingt zuverlässigen Ver¬ 
mittler, dessen Namen er ehrenwörtlich zu verschweigen habe, sei ein konkretes 
Angebot nach Wien gelangt. Aber, so sagte er, Österreich werde nicht ohne 
seine Verbündeten Frieden machen. 
Graf Czernin handelte im guten Glauben. Er kannte die Vorgeschichte 
dieser „Friedensvermittlung" damals noch nicht. Er wußte nur die letzten Tat- 
fachen. Die Schwäger des Kaisers, die mit poincare gesprochen, teilten mit, 
die Entente könne einen Sonderfrieden mit Österreich nur dann in Erwägung 
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