Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

ab. Mährend die Kampftruppen noch in der alten Stellung bleiben, beginnen 
hinter ihnen Abtransport und Zerstörung. 
Der Krieg ist hart. Dieser arme verwunschene Landstreifen bekommt ihn 
in seiner ganzen Bitterkeit zu schmecken. Rein Ort bleibt bestehen, kein Dorf, 
kein Gehöft, keine Kirche, kein Haus, keine Straße, keine Brücke, keine Eisen- 
bahnlinie, kein XOalb und kein Obstbaum. Alles muß fallen. Der Grundsatz, 
dem Feind für seinen Aufenthalt in diesem Streifen möglichst ungünstige 
Bedingungen zu schaffen, verlangt es. 
Die Bevölkerung wird zum größten Teil in die Etappe abbefördert. Andere 
werden in besonderen Ortschaften konzentriert, um dort dem Feinde überlassen 
zu werden. Für Deutschland ist jeder Esser, der für Kriegszwecke nicht ver¬ 
wendbar ist, eine Belastung. Die englische Aushungerung ist daran schuld. 
Alles bewegliche Material, das unbewegliche, soweit es militärischen Zwecken 
dienen könnte, muß mitwandern. Möbel, Kirchenglocken, Balken, Metallgeräte 
— alles wird von den Kolonnen nach hinten geschafft. Ein ganzer Landstrich 
setzt sich nach einem bis ins einzelne vorbereiteten Plan in Bewegung. Was 
zurückbleibt ist TDüste, tote Mondlandschaft. Die Unerbittlichkeit des Krieges 
kennt kein Erbarmen. 
Dann endlich folgen die Truppen. In sechs Tagen, vom )6. bis zum 2). 
März 1917, führen sie die Bewegungen aus. Der Feind, dessen Flieger doch 
zum Schluß die umfangreichen Vorbereitungen erkannt haben, rechnet bestimmt 
damit, daß die Deutschen erst räumen werden, wenn der Angriff beginnt. Das 
Einsetzen der Räumung trifft ihn völlig unvorbereitet. Er braucht mehrere 
Tage Zeit, um zur Besinnung zu kommen. 
Als er die deutschen Stellungen leer findet, folgt er zögernd mit unsicherem 
Tasten. Noch glaubt er an eine große Falle. Es kommt zu Gefechten mit 
deutschen Nachhuten, die ohne Bedeutung sind. Alles verläuft planmäßig nach 
vorher festgesetzten Zeiten und Entfernungen. An keiner Stelle kommt es zu 
unvorhergesehenen Zwischenfällen. Die Truppen vollführen eine glänzende 
Leistung in aller Ruhe und mit größter Sorgfalt. 
Jenseits Bapaume, peronne und Chaulnes versinkt am westlichen Horizont 
das Grauen der Sommeschlacht. Es ist, als steige man aus der Hölle wieder 
hinauf zum Leben. Die Trichter, die Grabenfetzen, die zerschossenen Stollen, 
die Höhlen, die Gräber — alles, was seit dreiviertel Jahren hier auf der Brust 
gelegen wie ein Alp, bleibt zurück. 
Ein Land winkt, das noch die Züge der Menschlichkeit trägt. Dort wird es 
Häuser geben, in denen man die Ruhezeit verbringt. Dort werden noch Bäume 
stehen, und im Frühjahr werden sie anfangen, sich mit grünem Laub zu 
schmücken. Es ist ja nicht mehr lange bis dahin. VOtgt werden dort sein, 
Straßen, Felder, die noch bebaut sind, Gärten und Wiesen, richtige grüne 
Wiesen mit Blumen darauf. 
Das Leben ruft noch einmal zur Rückkehr. Die Verdammten dürfen noch 
einmal zurück an die Oberfläche. Wenn man auch die Erinnerungen hier lassen 
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