Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

rat, vielleicht müsse Rußland sich schon in naher Zeit „seiner historischen Auf- 
gäbe unterziehen" und die Herrschaft über den Bosporus und die Dardanellen 
antreten. Es bestehe kein Zweifel, daß dieses Ziel nur durch einen europäischen 
Rrieg erreicht werden könne. 
Serbien besitzt schon Rußlands geheime Zusicherung, daß die österreichische 
Provinz Bosnien sein Eigentum werden solle. Man denkt auch in Rußland 
noch nicht daran, den Rrieg gerade in diesem Jahre zu entfesseln. Obwohl die 
politischen Vorbereitungen sozusagen abgeschlossen sind, fehlt auf militärischem 
Gebiet noch manches. Die letzte französische Anleihe ist noch nicht zur Aus- 
Wirkung gelangt. Vielleicht ist von Frankreich auch noch mehr zu erwarten. 
Rußland tut gut daran, sich noch einige Jahre von den Strapazen des ver- 
gangenen Jahrzehnts zu erholen und die unerschöpfliche Macht seiner lebendigen 
Rräfte straffer zu organisieren. Französische Helfer sind überall an der Arbeit. 
Frankreich indessen hat das Höchstmaß seiner militärischen Friedensanstren- 
gungen fast erreicht. Getrieben von dem nimmer ruhenden Schrei nach Revanche, 
von einer verhetzten und durch den letzten marokkanischen Zwiespalt leiden- 
schaftlich erregten Volksstimmung getragen, hat die Regierung sich von der 
Rammer mühelos die dreijährige Dienstpflicht gewähren lassen. Ihre Aus- 
Wirkungen werden bald voll in die Erscheinung treten. Man hat, um den 
Übergang möglichst kurz zu gestalten, zwei Jahrgänge auf einmal einberufen. 
Seit mehreren Jahren ist die militärische Organisation der Rolonien so ge- 
fördert worden, daß im Rriegsfalle alsbald eine halbe Million Marokkaner 
und Senegalesen zusammengebracht werden kann, um sie gegen die Mittel- 
mächte zu verwenden. 
627000 europäische Franzosen zählt das Friedensheer von 1914. Das be- 
deutet eine prozentzahl von 2,16 auf je hundert Einwohner. In Deutschland 
beträgt die gleiche Zahl 1,12, in Österreich nur 0,90. Die französische Mobil- 
machung sieht die Organisation einer Gesamtzahl von 3761 ovo kampfbereiten 
Soldaten vor. In Deutschland sind es ihrer 3 622 000, obwohl das Deutsche 
Reich fast 30 Millionen Einwohner mehr zählt. Auf den Ropf der französischen 
Bevölkerung fallen im Friedensetat von 1914 33 Mark für militärische Aus- 
gaben, in Deutschland 20 Mark. VTicht eingerechnet sind die Milliardensummen, 
die an Rußland gegeben wurden. 
☆ 
Deutschland lebte im Frieden seiner Arbeit und seines 'Wohlstandes, den es, 
gestützt auf seinen Fleiß, seine Begabung und auf die glückliche politische Hand 
der vergangenen Generation erworben. Es gab durch einen Rrieg nur zu ver- 
lieren, durch den Frieden nur zu gewinnen. Aber die Zeichen der Zeit wollten 
verstanden sein. Nichtswürdig die Nation, die, von feindlichen 'Waffen um- 
geben, im Genuß eines trügerischen Friedens ahnungslos dem Verderben ent- 
gegentreibt. 
XOtr ahnte um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, daß Deutschland 
1913 mit 12,5 Milliarden Ein- und Ausfuhr als zweitgrößte Handelsmacht 
der XVdt nur um 4,5 Milliarden hinter Großbritannien zurückstehen würde, 
2 Beumelburg, Sperrfeuer, Jll. Ausg. , y
	        
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