Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

Die Armee des Zaren lebt noch! 
Mit eiserner Ronsequenz und unter Anspannung aller Mittel des im Innern 
schon tödlich getroffenen Zarentums haben die russischen Generale den Linter 
über gearbeitet. Auf dem TDege über Japan sind die unerschöpflichen ameri- 
Manischen Hilfsquellen auch für Rußland nutzbar gemacht worden. Der russische 
Soldat ist kriegsmüde. Das Gift der inneren Zersetzung arbeitet schon. Aber 
noch gehorcht er dem Befehl des Zaren und seiner Offiziere. 
über der russischen Nordfront liegt Schnee, Eis und Erstarrung. Hin und 
wieder fallen ein paar Schüsse. An den meisten Stellen liegen die Gräben so 
weit auseinander, daß jeder Gegner denken könnte, er wäre für sich allein. Ja, 
wenn eines Tages der Russe mit Sack und pack abziehen würde, man würde 
es vielleicht erst viel später bemerken. 
Russische Patrouillen, die ab und zu durchs Vorfeld streifen, werden mit 
einigen Rugeln vertrieben. 
Die deutschen Truppen, unter ihnen viel Landwehr, abgesessene Ravallerie- 
regimenter und Landsturmformationen, liegen in dünner Rette zwischen Riga 
und Minsk, das heißt zwischen der Ostsee und den Rokitno-Sümpfen. Es sind 
die beiden Heeresgruppen Hindenburg und Prinz Leopold von Bayern. Am 
Stochod beginnt die österreichische Front, untermischt mit deutschen Armee- 
gruppen. 
Der Stoß der Russen richtet sich hauptsächlich gegen die 10. deutsche Armee 
des Generalobersten von Eichhorn im Räume vorwärts TDüna. 3m Zentrum 
des Schlachtfeldes liegen der Narotsch- und der Wischniew-See, zwei schnee¬ 
bedeckte Eisflächen, ringsum gefrorener Sumpf. Sechs deutsche Divisionen mit 
geringer Artillerie, im ganzen 66 Bataillone, haben den Angriff von annähernd 
400 Bataillonen aufzufangen. Mehr als tausend Geschütze stehen hinter den 
Russen, eine für östliche Verhältnisse erstaunlich hohe Zahl. 
Aber welch ein Unterschied zwischen dem stolzen Wortlaut des russischen 
Angriffsbefehls, der „zur Vertreibung des Feindes aus den Grenzen des heiligen 
russischen Reiches" auffordert, und dem Zustand dieser armen, halb verhun- 
gerten, schlecht ausgerüsteten und entsetzlich kriegsmüden Bataillone, hinter 
denen die eigene Artillerie als peitsche steht! 
Am gleichen Tage, an dem man ihnen den patriotischen Appell des Zaren vor- 
liest, gibt man ihnen einen anderen Befehl bekannt, worin es heißt: „Reserven 
und Artillerie werden ihr Feuer unverzüglich auf die Truppenteile lenken, die 
angesichts des Feindes im Vorgehen stutzen oder gar Miene machen, sich ge- 
fangen zu geben. Leichtverwundete werden gewaltsam in die Schlachtlinie 
zurückgeführt, desgleichen solche, die sich selbst verstümmeln. Eine dichte Posten- 
kette von Heerespolizei folgt den kämpfenden Truppen. Rein Soldat, der noch 
kampffähig ist, wird diese Rette nach rückwärts passieren." 
Zwei Tage vor dem Angriff wechselt das Wetter aus klirrendem Frost 
plötzlich zu einem scheußlichen Tau. Es taut so stark, daß die Eisdecke der 
Seen in kürzester Zeit schmilzt. Die Sümpfe werden weich. Die Ausgangs- 
gräben der Angreifer und die Gräben der Verteidiger füllen sich mit Wasser 
an. Die Unterstände ersaufen. 
Der russische Angriffsbefehl setzt die Gangbarkeit der Seen und der Sumpf¬ 
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