Volltext: Vom 9. Dezember 1914 bis 4. März 1915 (9.)

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uns das Recht auf Kompensationen zu geben. Die italienische 
Regierung erachtet es für geboten, ohne jedwede Verzögerung 
in einen Gedankenaustausch und sodann in konkrete Verhand¬ 
lung mit der k. u. k. Regierung über eine Gesamtlage zu 
treten, welche vitalste politische und wirtschaftliche Interessen 
Italiens nahe berührt. Im Parlament und in der öffent¬ 
lichen Meinung Italiens machen sich unzweideutige Zeichen 
einer Beunruhigung geltend, aus der sich deutlich die Tendenz 
der nationalen italienischen Aspirationen ergibt. Die könig¬ 
liche Regierung ist genötigt, dieser Beunruhigung und diesem 
Verlangen ernsthaft Rechnung zu tragen. Die von mir an¬ 
geregte Verständigung beider Regierungen auf der genannten 
Grundlage würde als Endergebnis haben, für die Zukunft 
jeden Anlaß zu unerfreulichen Zwischenfällen, Reibungen und 
Mißverständnissen, die jetzt so beklagenswert häufig sind, zu 
entfernen, und dafür zwischen den beiden Völkern jene Be¬ 
ziehungen einer herzlichen und dauerhaften Freundschaft 
knüpfen, nach denen der gemeinsame Wunsch geht und ohne 
die jeder offizielle Vertrag notwendigerweise ein unfrucht¬ 
barer Torso bleibt. Indem Sie somit dem Grafen Berchtold 
den freundschaftlichen Geist darlegen, der diesen Schritt be¬ 
seelt, wollen Ew. Exzellenz ihn bitten, mit der Sorgfalt, die 
der Fall erfordert, uns den Gesichtspunkt der k. und k. Re¬ 
gierung.wissen zu lassen. S o n n i n o. 
Nr. 2. 
Der Minister des Auswärtigen an bett Botschafter in Berlin. 
Rom, 9. Dezember 1914. 
Ich bitte Eure Exzellenz, den Herrn von Jagow über das 
zu unterrichten, was ich dem königlichen Botschafter in Wien 
telegraphiert habe. (S. Dok. 1.) Wollen Sie in geeigneter 
Weise dem genannten Minister des Auswärtigen den Stand 
ber öffentlichen Meinung Italiens sowie den Zusammenhang 
klarlegen, der in Italien zwischen Fragen bet äußeren unb 
solchen ber inneren Politik zutage tritt. Die bei einem Teile 
ber öffentlichen Meinung hervortretende Strömung zugunsten 
der Neutralität bedeutet keinen Verzicht aus die italienischen 
Interessen auf dem Balkan und in der Adria, sowie aus die 
nationalen Aspirationen, sondern vielmehr die Ueberzeugung, 
daß bie so beschaffenen Interessen unb Aspirationen schon 
durch die bloße Aufrechterhaltung der Neutralität kraftvoll 
geschützt werden würden. Und wenn nun tatsächlich das Gegen¬ 
teil offenbar würde, dann würde der Gegenschlag in der öffent¬ 
lichen Meinung sehr verhängnisvoll werben unb Wirkungen 
zeitigen, bie ins Auge zu fassen und denen nach Möglichkeit 
vorzubeugen die königl. Regierung verpflichtet ist. 
S o it n i n o.
	        
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