Volltext: Th. 1 [= A. Geschichte von Schärding], H. 1 (Th. 1, Heft 1, 1887)

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Um das Jahr 400 it. Chr. begann die große Wanderung der Völker; 
ein Volk nach dem andern rückte gegen die Gränzen des weströmischen Reiches und 
so trieb sich der einmal bewegte Ball vorwärts; Noricum, den beständigen Ein¬ 
fällen der Barbaren bloßgegeben, ging, weil alles Schutzes entblößt, für das west¬ 
römische Reich verloren; die Ersten waren die Westgothen, die, nachdem sie alles 
an der Donau geplündert hatten, nach Italien zogen (408). 
Im Jahre 451 unternahm Attila, die Geisel Gottes genannt, mit seinen 
700.000 Hunnen von den Usern des schwarzen Meeres her, seinen Verwüstungszug 
durch das Noricum nach Gallien; nur die römischen Gränzfestnngen an der Donau 
hatten sich gehalten. Von der oberen Donan herunter machten die Alemanen, 
Snevett und Thüringer ihre verwüstenden Einfälle über den Inn ins Ufer-Noricum, 
wo die in den Gränzfestnngen befindlichen schwachen Milizen, weil von der Ver¬ 
bindung mit Italien abgeschnitten, ohne Sold, ohne Mundvorrath selbst vor den 
beständigen Ueberfällen dieser raub- und mordlustigen Horden zitterten; die Be¬ 
wohner des Flachlandes flohen in die Gebirge oder in die Castelle; was nicht 
fliehen konnte, wurde hingemordet oder in die Sklaverei geschleppt; die Ortschaften 
nnd Wohnungen gingen sämmtlich in Ranch ans. 
Mitten in das Dunkel dieser wirrevollett Zeit leuchteten zwei glänzende 
Gestirne hinein, der heilige Valentin, der von Etschland aus am Juu hiuab 
mehrmals nach Passau gewandert war, um den dort zum Theile noch heidnischen und 
vom Arianismus angesteckten Bewohnern die reine Lehre Jesu zu verkünden, aber ver¬ 
härtete Herzen gefunden hatte, und der heilige Mönch Severin, der Licht, Trost, 
Segen und Hilfe spendend den bedrängten Donaubewohnern ein beschützender Genius 
wurde. Der Ruhm seiner Weisheit, Gottesfurcht und wunderbaren Thaten strahlte 
weit umher; darum war er selbst bei den Fürsten der Barbaren hochgeachtet. 
Severin ließ keinen Flecken im Noricum unbesncht: er kam von Faviana — 
Wien — nach Lauriacum — Lorch — über den Ennsfluß herauf, die Traun 
entlang, durch das Jfchellaud hinauf nach Kuch el, und von da hinab nach Juvavum 
— Salzburg — und längs des Inns hinab nach Castra Quintana — Künzig 
— und Passau; daselbst fand er bereits zwei Kirchen vor, und erbaute für sich 
und seine Schüler, jenseits des Inns, außerhalb ßojotro, ein kleines Kloster, um 
ungestört dem Gebete und Betrachtungen obliegen zu können; die anhente noch 
stehende St. Severinskirche vor den Mauern der Innstadt bewahrt den Namen und 
das Andenken an den segenbringenden Aufenthalt dieses frommen Mannes, der 
auch bewirkte, daß Passau für einige Zeit von den fortwährenden Verheerungen der 
Alemanen befreit wurde?) Doch die Ruhe vor den immer stärker andrängenden 
Barbaren dauerte nicht lange, und auch St. Severin konnte den Untergang des Landes 
nicht abwenden, sondern nur warnen, trösten und helfen, wo noch zu helfen war. 
Schon waren die oberhalb Passau gelegenen Donau-Castelle gefallen; 
näher und näher rückte der zerstörende Völkerstnrni. Der Inn, geröthet vom Blute 
i) Vita 8. Severini Eugippii cap. j12 : „Dum adliuc Noriei Kipensis oppida superiora 
constarent.” Pez. script. rer. austr. Tom. I, 73.
	        
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