Volltext: Band I. Der Weltkrieg 1914 - 1915 (Band I. 1916)

Eine Schlacht am Jsonzo. 
Einen italienischen Angriff am Jsonzo beschreibt folgender Kampf¬ 
bericht: 
Die Dämmerung bricht herein und taucht unsere ganze Frontlänge in mystisches Dunkel, 
das sich immer mehr verdichtet, je ruhiger es bei uns wird. 
Da blitzt von der gegnerischen Seite ein Scheinwerfer auf, der mit seinem grellen, 
weißen Licht unsere Linien abtastet. Unmittelbar danach donnert ein Kanonenschuß durch die 
stille Nacht, dem ein durch die Berge rollendes Echo folgt. Das ist die Introduktion zur 
großen Schlachtensinfonie der italienischen Artillerie. Gleich darauf dröhnt, donnert und kracht 
es ununterbrochen von der feindlichen Seite her, während es auf der unseren vollkommen 
ruhig bleibt. Gegen Mitternacht mischt sich in das brüllende Getöse Klein- und Maschinen¬ 
gewehrfeuer, dem unserseits nur vereinzelte Gewehrschüsse antworten, aber auch nur daun, 
um ein paar vorwitzige Katzelmacher wegzuputzen. So geht es eine, zwei Stunden weiter. 
Vom Geschützfeuer beleuchtet, bewegen sich deutlich sichtbar endlos dunkle Linien nach 
vorne. Italienische Infanterie nähert sich unseren Hindernissen. Das Einzelfeuer unserer 
Truppen verschärft sich in gleichem Maß als der Feind heranrückt. Da! — die dem Feind 
festgesetzte Zone ist erreicht; jetzt erst fangen wir an! Das Einzelfeuer unserer Infanterie 
geht in einen förmlichen Trommelwirbel über, aus dem 'das rasende Tak-tak der Maschinen¬ 
gewehre kaum merklich hervortritt. Nach der ersten, gleich treffenden Begrüßung durch unsere 
braven Kanoniere beginnt aber erst das wahre Höllenchaos. Man wird taub, blind und 
schließlich apathisch, hört, sieht und denkt aber doch nur eines: „Dranf und dran bis zum 
letzten Mann!" Unaufhörlich krachen die die Luft hageldicht durchsausenden, explodierenden 
Schrapnells und die die Erdmassen auswerfenden Granaten hüben und drüben. Schreiende, 
tobende Menschenstimmen, Pfeifensignale, Pferdegewieher, Todesschreie von Menschen und 
Tieren in einem Atem verwirren zeitweise die Sinne, bis es endlich ruhiger wird. 
Und diese scheinbare Ruhe ist aber das Schrecklichste, den sie geleitet den fürchterlichsten 
Abschnitt des sich Nacht für Nacht gleichbleibenden Ringens — den Nahkampf! — den Kampf 
Leib an Leib, Mann gegen Mann. Man sticht und haut mit Säbel und Bajonett, haut mit 
Gewehrkolben, Revolverknauf und Fäusten, würgt mit krampfhaft geschlossenen Fingern und 
beißt, tritt einander mit Füßen. Selbsterhaltungstrieb, Wut und der Wille zum Sieg sind 
die Faktoren, die den Menschen zur stummen Bestie machen. Der Morgen beginnt zu grauen, 
als wieder die ersten Schüsse einer Erlösung gleich diese entsetzliche Ruhe durchbrechen. Der 
Feind flieht auf der ganzen Linie über Hals und Kopf. Wieder tut sich die Hölle auf. In 
die zurückflutenden Massen kracht und prasselt es hageldicht, ganze Reihen niederreißend. 
Und als der Sonne erwärmende Strahlen über das Gelände blinken und tastend über 
den stillen Überresten von Cadornas stolzen Regimentern zittern, da tönt schon wieder der 
Sang aus den rauhen Soldatenkehlen, fliegen Scherzworte und muntere Zurufe durch die 
siegreichen Reihen, da rasseln schon wieder Geschütze und Fuhrwerke daher und dorthin, 
Bataillone und Kompagnien marschieren nach vorne und nach rückwärts, von links nach rechts 
und umgekehrt. Wenn die Sonne höher steigt, binden sich alle in Essig getauchte Leinwand¬ 
lappen vor Mund und Nase, des unerträglichen Leichengeruchs wegen. Hunderte, Tausende 
tote Italiener liegen reihen- und haufenweise vor unseren Stellungen und fast täglich kommen 
Hunderte, Tausende dazu, ohne daß die Möglichkeit geboten würde, diese Massen begraben 
zu können. 
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