Volltext: Band I. Der Weltkrieg 1914 - 1915 (Band I. 1916)

das Gestein nach allen Richtungen und bilden natürliche Wolfsgruben. 
Nicht achtend dieser furchtbaren Hindernisse, mit zerrissenen Kleidern, zer¬ 
schnittenen Händen und wunden Füßen ging es unentwegt weiter, ein 
Ziel vor Augen, die Höhe zu erreichen. — Unter den klimmenden Füßen 
löste sich mancher Stein und rollte in die Tiefe, dann stockte die Bewegung 
einen Augenblick, alles hielt beklommen den Atem an und lauschte ange¬ 
strengt in die stille Nacht, ob das polternde Gerölle nicht die Aufmerk¬ 
samkeit des Gegners erweckt. Nichts war zu hören, alles still — und so 
ging es weiter. Am frühen Morgen des 8. Jänner gelang es unseren 
Truppen, den befestigten, jedoch nur durch schwache Feldwachen besetzten 
Westrand des Plateaus durch Überraschung in Besitz zu nehmen. Wohl 
wurden sie mehrfach von heftigem Feuer empfangen, wohl prasselten vor¬ 
bereitete Steinlawinen auf sie herab und rissen manchen von ihnen mit in 
die Tiefe. Aber mit Todesverachtung ging es weiter! Es war ein unauf¬ 
haltsamer Drang nach vorwärts, der alle beseelte. Deutsche, Tschechen, Ungarn, 
sie hielten sich alle wacker und gut! Ihre Leistungen wuchsen mit der Schwie¬ 
rigkeit ihrer Aufgabe. Grauhaarige Männer, welche Berge nur vom Hören¬ 
sagen kannten, solche, die sich selbst auf ebener Straße nur schwerfällig fort¬ 
bewegen, wiesen hier Kletterleistungen auf, welche an das Unfaßbare grenzen. 
Wäre diese Überraschung nicht geglückt, so wären unsere braven 
Truppen schwerlich Herr des Bjelos geworden. Harrten unser doch in 
sicherer Stellung, auf befestigter Höhe, geschützt und gedeckt, zwei terrain¬ 
gewandte feindliche Bataillone (Cucki und Trepacki) mit 2 Gebirgsge- 
schützen und 4 Maschinengewehren, relativ eine bedeutende Übermacht ge¬ 
genüber unseren schwachen 4 Bataillonen, welche den Angriff von unten, 
die grauenhafte Höhe hinauf und über die ununterbrochene Kette natürlicher 
Hindernisse, welche das Bjelosplateau bildet, vortragen mußten. 
Der herrlichen Nacht war ein ebenso schöner Morgen gefolgt und 
die strahlende Sonne beleuchtete ein Felseupanorama von so wunderbarer 
Schönheit, daß man für Augenblicke vergessen konnte, in welch schrecklichem 
Gegensatze dies Bild des Friedens zur Wirklichkeit stand. 
Doch zu Betrachtungen war keine Zeit. Mit der Erringung des 
Westrandes war die Aufgabe noch nicht beendet. Nun hieß es den domi¬ 
nierenden, zugleich auch taktisch wichtigen Ostrand erreichen. 
Es entstand ein dreitägiges schweres Ringen. Unter unsäglichen 
Mühen kamen die Truppen in diesem foltergleichen Terrain unter der 
Feuerwirkung des hinter Steinblöcken gut gedeckten und völlig unsicht¬ 
baren Gegners nur langsam, auf allen Vieren kriechend, vorwärts. Man¬ 
chem mag die Schilderung dieser Tcrrainverhältnisse übertrieben scheinen, 
konnten wir, als wir diesen schweren Karst zum erstenmal erblickten, doch 
auch kaum unseren Augen trauen! Trichter an Trichter, Steilwände bis 
20 m Tiefe, zerrissenes, tiefgespaltenes Gestein, kurzum ein Gelände, welches 
der liebe Gott in seinem ärgsten Zorn geschaffen. 
Dem gegnerischen Feuer, dem entsetzlichen Terrain, welches die 
Herstellung künstlicher Hindernisse seitens des Feindes gänzlich übet- 
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