Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Belgien unter deutscher Verwaltung 
189 
Zu den bisher getroffenen Verwaltungsmaßnahmen gehört auch die Beaufsichti 
gung der Banken. Es wurde ihnen untersagt, nach dem feindlichen Auslande und 
dem nicht okkupierten Belgien neue Geschäfte zu machen. Sie dürfen nur die im Gang 
befindlichen Geschäfte abwickeln. Die Banque Nationale ist durch die Flucht des Vor 
standes ein Rumpfinstitut geworden. Aber sie hat, von der Notwendigkeit gedrängt, 
sich dazu verstehen müssen, den Kleingeldverkehr zu erleichtern. Den Geldwechsel besorgt 
noch immer ausschließlich die Filiale der Deutschen Bank, und zwar zu dem Satz von 
125 Franken für 100 Mark. Man hält an diesem Satz fest, obwohl er auf die Dauer 
nicht dem wirklichen Verhältnis der Valuten entspricht. 
Die Heranziehung der belgischen Behörden beruht auf der Voraussetzung, daß die 
einheimischen Beamten nicht gegen die deutschen Interessen arbeiten. Sie müssen einen 
entsprechenden Revers unterschreiben, der die genaue Ueberwachung ihrer Tätigkeit frei 
lich nicht überflüssig machen kann. 
Das am schwersten zu lösende Problem bleibt die Behandlung der Presse. Die 
deutschen Behörden müssen selbstverständlich das Recht der Zensur beanspruchen. Der 
„Ami du Peuple" in Namur hat sich zuerst unterworfen, die bekannten Brüsseler Blätter 
sind zum Teil nach Gent und Ostende ausgewandert, zum Teil einfach von der Bild 
fläche verschwunden. Die Militärbehörde übt eine strenge Kontrolle gegen die Ein- 
schmuggelung dieser Blätter nach Brüssel oder dem übrigen okkupierten Belgien. Das 
Netz ist allerdings noch nicht dicht genug, um den Schmuggel vollkommen zu unterbinden. 
Da diese Blätter jedoch sehr teuer verkauft werden (1 Fr. für die Nummer), sind die 
Brüsseler nun tatsächlich ohne Zeitungen, und einige Neugründungen, wie „Dernisres 
Nouvelles", der „Bruxellois" und der „Quotidien" suchen dem Bedürfnis nach Nach 
richten entgegenzukommen. Sie unterwerfen sich der deutschen Zensur und begegnen 
darum dem Mißtrauen der Bevölkerung, die allerdings doch mehr und mehr von diesen 
einzigen Nachrichtenquellen erwirbt. Vielleicht entschließt sich die eine oder andere der 
früheren Brüsseler Zeitungen doch, ihrem alten Leserkreis unter den neuen Verhältnissen 
dienstbar zu werden und wieder in Brüssel zu erscheinen." 
Die wirtschaftliche Lage des Landes ist immer noch anormal, wenn auch eine 
Hungersnot nicht zu erwarten ist. Der „Nieuwe Rotterdamsche Courant" veröffentlicht 
eine Unterredung eines seiner Mitarbeiter mit einem deutschen Diplomaten aus dem 
Haag, der folgendes zu entnehmen ist: „Die noch vorhandenen ökonomischen Mißstände 
werden verschwinden, sobald die zurückgekehrte Bevölkerung den Landanbau wieder in 
Angriff nimmt. Soweit in Belgien jetzt von Schwierigkeiten in der Beschaffung von 
Lebensmitteln die Rede sein kann, handelt es sich bloß um den Mangel an Geld, an 
Verdienst, um Lebensmittel zu kaufen. Außerdem mangeln die Verkehrsmittel. In 
beiden Beziehungen trägt aber die belgische Bevölkerung und die belgische Regierung die 
Schuld. Infolge des Verbotes ihrer höheren Vorgesetzten arbeiten die belgischen Eisen 
bahn-, Post- und Telegraphenbeamten nicht, was für das deutsche Heer und die deutsche 
Besatzung ohne Bedeutung ist, der Bevölkerung aber einen um so größeren Schaden 
bringt. Das Verbot kann mit patriotischen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt werden, 
denn belgische Eisenbahnbeamte würden bei Militärtransporten so wie so nicht gebraucht 
werden. Nun verdient die Bevölkerung gar nichts, hat also kein Geld. Die belgischen 
Arbeiter in den Waffenfabriken wollen grundsätzlich nicht für die deutsche Armee arbeiten 
(vgl. I, S. 227), aber auch nicht in anderen Fabriken. Dieser Patriotismus mag er 
klärlich sein, das Resultat ist aber: kein Verdienst, kein Geld, um so mehr als man doch 
nicht verlangen kann, daß die Deutschen für die belgische Armee Waffen oder anderes 
Kriegsmaterial verfertigen lassen. Die einzige Arbeit aber, für die in dieser Zeit viel 
Geld ausgegeben wird, ist die, welche dem Heere zugute kommt. Die Frage ist sicher
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.