Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der Zusammenbruch der belgisch-englischen Armee 175 
Aber die deutschen Kolonnen näherten sich Ostende mit Riesenschritten. Auf 
drei Wegen kamen sie: über Eecloo und Brügge, von Kortryk über Thorhout und von 
Ipern durch Dixmuiden. Am 14. Oktober standen sie noch einen Tagesmarsch von Ost 
ende. Die letzten belgischen Truppen, die nicht mehr hatten eingeschifft werden können, 
zogen schleunigst aus Ostende ab, um der Küste entlang nach Dünkirchen zu entkommen. 
Ueber die Stimmung in Ostende vor dem Einmarsch der Deutschen 
schreibt der Berichterstatter der „Daily News": „Am Quai von Ostende hatten sich am 
Abend des 14. Oktober Tausende von Flüchtlingen angesammelt in der Hoffnung, am 
folgenden Morgen zu Schiff abreisen zu können; aber es ließ sich keines sehen. Einige 
Hunderte hatten schon Zuflucht gesunden in Fischerbooten, die am Quai lagen, um nach 
Frankreich oder England zu segeln. Die Zurückgebliebenen blickten sehnsüchtig über's 
Meer, ob vielleicht doch noch ein Schiff erscheine. Die Stadt war menschenleer, alle 
Läden waren geschlossen und keine Lebensmittel zu erhalten. Um 10 Uhr ging ich nach 
dem Quai und vernahm dort, die Deutschen seien nur zwei Meilen entfernt. Es herrschte 
große Erregung. Auf Handkarren verlud man die Gewehre und die Munition für die 
Bürgerwehr und warf alles ins Meer." 
Die Ankunft der Deutschen in Ostende schildert der Amerikaner Allison fol 
gendermaßen: „Am Donnerstag, den 15. Oktober, morgens um 10 Uhr, erschien der 
letzte belgische Soldat am Strande. Er kam aus einem schwarzen Klepper aus dem 
Fischerquartier, wo er wahrscheinlich geschlafen hatte, so daß er den Abzug seiner Kame 
raden verpaßt hatte. Er hatte keinen Sattel und im Galopp rief er auf Flämisch: „Die 
Deutschen sind hier!" und schlug aus sein Pferd mit seinem Karabiner. Er rannte die 
Straße hinunter und schrie immer nach dem Weg nach Dünkirchen. Ich hörte später, 
daß er nicht mehr durchkam. Die Deutschen fingen ihn zehn Minuten später. Als ich 
am amerikanischen Konsulat stand, sah ich 13 deutsche Ulanen. Sie waren famos be 
ritten, hatten die Lanzen in den Händen und ritten in sonderbarer Weise, die ich erst 
begriff, als ich sah, daß sie die Namen der Straßen ablasen und einem mitteilten, der 
eine Karte in der Hand hatte. Als sie in die richtige Straße kamen, drehten sie um, 
ritten zum Hause des Bürgermeisters von Ostende und klopften an die Türe. Der 
Bürgermeister kam persönlich mit zwei Gendarmen. Er war in großem Dienstanzug, 
schwarzem Ueberrock und weißer Binde. Sie grüßten ihn sehr höflich. Nach einer kleinen 
Unterhaltung gingen alle zusammen fort. Unmittelbar darauf erschienen mehrere Ulanen 
mit Radfahrern, ritten auf den Platz vor dem Rathaus, den Grooten Markt, und banden 
ihre Pferde fest. Der Bürgermeister ging in das Rathaus, um die Offiziere zu erwarten. 
Der erste Offizier kam um 11 Uhr mit einem Dutzend Ulanen. Jede der deutschen 
Streifgruppen schien genau die Stadt zu kennen und kam, ohne zu zögern, immer zum 
Rathaus. Dem ersten Offizier folgten zwei große Motorwagen voll von Offizieren. 
Im ersten faß Feldmarschall v. d. Goltz, der deutsche Generalgouverneur. Kurz vorher 
traf noch der Konsul der Vereinigten Staaten ein, den der Bürgermeister gerufen hatte. 
Nach den Einleitungsworten bat der Generalgouverneur den Konsul, ihn nach Brügge 
zu begleiten, um dem für Ostende bestimmten Kommandanten vorgestellt zu werden. Da 
der Chauffeur des Konsuls den Weg kannte, so fuhr v. d. Goltz mit dem amerikanischen 
Auto zurück. Von diesem Augenblick an gehörte die Stadt den Teutschen, und deutsche 
Offiziere strömten in die Stadt auf allen erdenklichen Autowagen. Um 8.45 Uhr erschien 
ein Bataillon. Wochen hindurch war kein Licht in Ostende gewesen, aber an diesem 
Abend mußte auf Befehl der Deutschen jedes Fenster in der Kapellenstraat, die zum 
Grooten Markt führt, beleuchtet werden. Während der Nacht marschierten noch drei 
Regimenter ein, und jedes fand schon die Unterkunftsanweisung vor. Ich wollte nicht 
glauben, daß sich die Offiziere in unseren Hotels wohl fühlen könnten, weil ich dachte.
	        
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