Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

174 Die Entwicklung der Schlachtlinie im- Westen bis zum Kanal 
sortiger Rückzug unter dem Schutz der Dunkelheit geboten sei, wenn ein Unglück ver 
mieden werden sollte. General de Guise, der belgische Befehlshaber, war damit voll 
ständig einverstanden. Der Rückzug begann um halb 8 Uhr und vollzog sich unter sehr 
schwierigen Umständen. Der Feind bedrohte unsere unmittelbare Rückzugslinie, so daß 
ein Umweg von 25 Kilometer in nördlicher Richtung geboten war. Alle Wege waren 
mit belgischen Truppen, Flüchtlingen, Viehherden und allen möglichen Gefährten auge 
füllt. Dadurch wurde es fast ganz unmöglich, Fühlung zu behalten. Zum Teil infolge 
von Ermüdung, zum Teil auch aus nicht aufgeklärten Ursachen trennten sich größere 
Abteilungen der ersten Seebrigade ab und zu meinem Aerger muß ich melden, daß sie 
entweder gefangen oder in den Niederlanden interniert wurden. Nach einem Marsche, 
der die ganze Nacht dauerte, erreichten jedoch ein Bataillon der ersten Brigade, die 
zweite Brigade und die Marine-Jnfanteriebrigade, bis aus ein Bataillon, St. Gillis im 
Waeserlande, wo sie ohne weiteren Zwischenfall den Rückzug auf der Eisenbahn fort 
setzten. Das Bataillon der Marine-Jnfanteriebrigade, das die Nachhut bildete, erreichte 
auch noch am Nachmittag nebst Hunderten von Flüchtlingen einen Zug, allein der Bahn 
körper war aufgebrochen, die Lokomotive entgleist und der Feind eröffnete das Feuer. 
Es entstand große Verwirrung; es war dunkel und die Erregung unter den Flüchtlingen 
verhinderte die Ausgabe von Befehlen. Das Bataillon benahm sich jedoch ausgezeichnet 
und es gelang ihm, sich kämpfend einen Weg zu bahnen, freilich unter Verlust von mehr 
als der Hälfte der Mannschaften. Die andern marschierten noch 15 Kilometer weiter 
bis Selzaete und bestiegen alsdann einen Zug." 
Die Entwaffnung der auf holländisches Gebiet übergetretenen Trup 
pen ging glatt von statten; die holländische Militärbehörde hatte sich schon tagelang 
darauf vorbereitet und bedeutende Verstärkungen an der Grenze vorgenommen. Im ganzen 
sind etwa 40000 Mann belgischer und englischer Truppen in den Niederlanden interniert-. 
Die Zahlenangaben der einzelnen Internierungslager sind ungenau, da das eine Mal 
die in Zivilkleidern Geflüchteten mitgerechnet sind, das andere Mal nicht. In der Hitze 
der Verfolgung sind auch 48 deutsche Ulanen, die an der Grenze patrouillierten, um 
versprengte belgische Truppen gefangen zu nehmen, aus Versehen auf holländisches Ge 
biet geraten, wo sie gleichfalls interniert werden mußten. 
Die belgische Hauptmacht erreichte ungehindert Ostende; die Nachhut dagegen, die 
ihren Rückzug deckte, hatte noch eine Reihe schwerer, verlustreicher Gefechte gegen die 
rasch an die Küste nachrückenden deutschen Verfolger zu bestehen. Immer wieder wur 
den kleinere belgische Abteilungen abgesprengt und über die holländische Grenze ge 
trieben. Am 11. Oktober zogen die Deutschen in Gent ein, im selben Augenblick, als 
die letzten belgischen und englischen Truppen es auf der entgegengesetzten Seite verließen. 
In Gent machte das deutsche Heer nur eine kurze Rast; die Offiziere bezogen die Hotels, 
die Bevölkerung verhielt sich sehr freundlich. Nur eine kleine Besatzung blieb zurück. 
Am folgenden Tag wurden die Belgier von den Verfolgern bei Brügge gestellt. Es 
entstand ein hartnäckiges Gefecht, das durch einen raschen verlustreichen Rückzug dev 
Belgier auf Ostende seinen Abschluß fand. Am 14. Oktober wurde Brügge von den 
Deutschen besetzt. 
Die Besetzung von Ostende 
Als die belgisch-englische Armee in Ostende ankam, harrte ihrer bereits ein starkes 
Geschwader von englischen Transportschiffen, um sie nach französischen und englischen 
Häfen zu bringen. Die belgischen Truppen sollten in Frankreich reorganisiert werden und 
fortan auf dem linken Flügel der Verbündeten mitkämpfen. Die 5000 Mann Engländer, 
die von den „Rettern Antwerpens" noch übrig waren, wurden nach England zurückbefördert-.
	        
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