Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

318 Der Krieg der Intellektuellen 1914 
nicht als sich seine deutschen Getreuen höchst überflüssiger Weise darum „bemühten". 
Der Kamps entbrannte nun erst recht. Die Berliner und die Münchener Sezession, 
sowie die Dresdener Akademie strichen Hodler von der Liste ihrer Mitglieder, und 
das Wallraf-Richartz-Museum in Köln konnte seinen Besuchern eine neue Sehens 
würdigkeit bieten: eine leere Stelle mit einer Tafel, auf der zu lesen stand: „Hier 
hing ein Bild von Ferdinand Hodler, der sich nicht gescheut hat usw." Auch Pro 
fessor Hackel erschien auf dem Plan und beantragte, das Hodlersche Monumentalbild 
„Aufbruch der Jenaer Studenten 1813" aus den Räumen der Jenaer Universität 
zu entfernen und öffentlich zu versteigern. Dieser Vorschlag entfesselte in der deut 
schen Presse einen wahren Sturm; wer sich nur irgend berufen fühlte, steuerte seine 
Ansicht bei; aber je heftiger der Meinungsaustausch wurde, desto weniger drehte er sich 
um die Person Hodlers, als vielmehr um seine schon vorher umstrittene Künstlerschaft. 
Ob die Hodlersche Verurteilung einzelner Akte der Kriegführung, die ihm überdies 
noch von den leider so wenig neutralen Blättern der französischen Schweiz in ganz 
falschem Licht gezeigt worden waren, eine völlige Verständnislosigkeit für Deutschlands 
Heldenringen voraussetzt, ist an sich zweifelhaft, erst recht aber, ob eine falsche Beur 
teilung des heutigen Deutschlands unbedingt auch auf eine Verkennung der deutschen 
Vergangenheit und des Befreiungsjahres 1813 schließen lassen muß. Romain Rollands 
offener Brief ist der beste Beweis dagegen. Ueberdies ist jetzt, wo unsere Seele von 
tiefen Erregungen erzittert, nicht der Augenblick, künstlerische Werturteile nachzuprüfen. 
Wir sollten füglich die Frage der Hodlerschen Bilder bis nach dem Krieg vertagen. 
Und über den Menschen Hodler sollten wir endgültig zur Tagesordnung übergehen. 
Auch die Akademie von San Luca in Rom verlangte, allerdings in gemäßigtem Ton, 
von der Berliner Akademie Aufklärung über die Beschießung der Reimser Kathedrale. 
Anton v. Werner gab eine klare und würdige Antwort, in der er sagt: „Wenn 
ehrwürdige Heiligtümer der Kirche und der Kunst von unseren Gegnern als militärische 
Verteidigungsmittcl gebraucht werden, wie in Reims, wo französische Geschütze in der 
Nähe und Beobachtungsposten aus der Kathedrale ausgestellt waren, so können wir nur 
beklagen, daß sie, nicht wir, solche der ganzen Menschheit gehörende Kunstwerke unver 
meidlicher Gefahr aussetzen. Ich habe 1870/71 im Hauptquartier des Kronprinzen 
Friedrich Wilhelm von Preußen der Belagerung von Paris beigewohnt und gesehen, 
wie unsere Soldaten aus den Trümmern der von der französischen Artillerie zusammen 
geschossenen Schlösser von St. Cloud und Meudon Reste von zerstörten Kunstwerken 
retteten, ja auf die Bitte des Direktors der Porzellanmanufaktur von Sövres, Herrn 
Regnault, an den Kronprinzen, unter eigener Lebensgefahr im feindlichen Feuer die 
wertvollsten Modelle in Sicherheit brachten. Sie dürfen, meine Herren, überzeugt sein, 
daß weder der Kultur und Zivilisation noch der Kunst von den Truppen des mit Krieg 
überfallenen deutschen Reiches irgendeine Gefahr droht." 
Hodler und Dalcroze sind nicht die einzigen Neutralen geblieben, die in dem Krieg 
der Geister gegen Deutschland Partei ergreifen zu müssen glaubten. An blindem Haß 
und kreischender Wut hat Gabriele d'Annunzio selbst unsere Feinde übertroffen; 
die billigen nationalen Lorbeeren, die er sich während des Tripolisraubzugs gepflückt 
hat, haben ihm offenbar keine Ruhe gelassen. Auch der amerikanische Expräsident 
Theodor Roosevelt ist anfangs dem Ansturm der englischen Lügen erlegen. In 
seinem Blatt „Outlook" beschäftigt er sich mit dem kommenden Frieden. „Natürlich," 
sagt er, „ist der Friede wertlos, wenn er nicht der Sache der Gerechtigkeit dient. Ein 
Friede, der den Militarismus kräftigt, wird wenig Wert haben. Ein Friede, der 
durch Vernichtung der Freiheit und des Lebens harmloser Völker erreicht wird, ist so 
grausam wie der grausamste Krieg. Ein Friede, der die Unbilden der Belgier unge-
	        
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