Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Die wirtschaftlichen Verhältnisse 
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finanzielle Lage in den Absatzgebieten war durchweg schlecht und wurde durch die von 
England betriebene Einschränkung der Ausfuhr nach Deutschland und den angrenzenden 
neutralen Ländern nicht gebessert. Außerdem fehlt es in England selbst an einem groß 
zügigen Kreditsystem, auf das fich die Industrie stützen könnte, um die Betriebe zu ver 
größern und dem höheren Bedarf gerecht zu werden. 
Aus demselben Grund hat auch der so vielversprechend inszenierte Patentdiebstahl 
(vgl. I, S. 318) nicht den erwarteten Erfolg gehabt. Es ist eben nicht fo leicht, eine 
chemische Industrie wie die deutsche, oder auch nur eine Spielwarenindustrie wie die 
Nürnberger aus dem Boden zu stampfen, und mit einer äußerlichen Nachahmung der 
Leipziger Messe in Birmingham ist es auch nicht getan. Vor allem leidet England trotz 
der Aufhebung der Patente für die wertvollsten deutschen Arzneimittel, wie Aspirin, 
Lysol, Salvarsan, empfindlichen Mangel daran; das deutsche Ausfuhrverbot für Arznei 
mittel hat also doch eine höchst erfreuliche Wirkung gehabt. 
Englands Wirtschaftslage 
Wie stark der englische Außenhandel unter dem Krieg leidet, zeigte schon die 
Statistik des britischen Handelsamts für den Monat August (vgl. I, S. 319). Die 
folgenden Monate brachten zwar ein langsames Anwachsen der Einfuhr, aber die Aus 
fuhr vermochte sich nicht zu erholen. Das geht aus folgender Tabelle hervor: 
in Mill. Lstr. 
Import 
gegen 1913 
Export 
gegen 1913 
August 1914 . . 
43.36 
-24.3% 
24.21 
-45.1% 
September . . 
45.05 
-26.5% 
26.67 
-37.1°Io 
Oktober . . . 
51.56 
— 28.1% 
28.60 
— 38.6% 
November . . . 
55.99 
— 18.2% 
24.60 
— 45.0% 
Dezember 1914 . 
67.61 
- 4.9% 
26.33 
— 39.0% 
An dem starken Rückgang der Ausfuhr ist zum Teil natürlich das Ausscheiden Deutsch 
lands schuld, des besten Kunden, den England besaß (vgl. I, S. 68), doch zeigt auch der 
Handel mit den verbündeten Ländern einen erheblichen Rückschlag. Der englische Export 
nach Holland ging um ein Drittel, der nach Italien um ein Viertel, und der nach der 
Schweiz gar um die Hälfte zurück. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß in der oben 
stehenden Tabelle die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach verbündeten Ländern (vor allem 
Frankreich und Rußland) nicht enthalten ist. Andererseits muß betont werden, daß diese 
Zahlen insofern kein ganz richtiges Bild von dem Umfang des Handels geben, als der 
Handelswert vieler Artikel bedeutend in die Höhe gegangen ist. 
Die Industrie hat sich in England unter dem Einfluß der Heereslieferungen rasch 
wieder aufgerafft; nur die Baumwollindustrie litt dauernd unter der Preissteigerung 
der amerikanischen Rohwolle. Die noch im September 1914 vorhandene Arbeitslosigkeit 
(vgl. I, S. 320) wurde durch die Rekrutierung ausgeglichen (vgl. I, S. 312). 
Die bedenklichste Erscheinung in der englischen Volkswirtschaft ist die Preissteige 
rung der Lebensmittel. Die amtlichen Tabellen vom Januar 1915 zeigen eine 
durchschnittliche Erhöhung von zwanzig Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die wichtigsten 
Nahrungsmittel, wie Brot, Fleisch, Käse, und — infolge des Einfuhrverbots — auch 
Zucker, sind bedeutend im Preise gestiegen. 
Die Ursachen dieser Teuerung sind sehr mannigfaltig. Die deutschen und die 
österreichischen Schiffe sind vom Ozean verschwunden und damit ein großer Teil des 
verfügbaren Laderaumes; auch wurde eine große Anzahl britischer Handelsschiffe für die
	        
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