Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Englands Landesverteidigung 
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Norbert Jacques berichtet über das Schicksal Hans Lodys in der „Frankfurter 
Zeitung": „Während ich in London war, erfüllte sich in einem Gerichtssaal an einem 
deutschen Mann ein Schicksal, das aufgezeichnet werden muß. Als amerikanischer Rechts 
anwalt strich dieser Mann ununterbrochen die Küste ab, forschte die Liegeplätze, die Be 
wegungen und Verschiebungen, die Absichten der im Norden Englands wie hinter zwölf 
Stahlwänden geborgen sitzenden englischen Flotte aus und schrieb, was er sah, über 
Kopenhagen nach Deutschland. Es dauerte eine ganze Weile, bis ihn sein Geschick erreichte. 
Und als das geschah, kam er gleich vors Gericht. Als ein gewöhnlicher, verächtlicher, 
bezahlter Spion. Hans Lody nannte er sich. Die Zeitungen überschütteten ihn von 
vornherein mit dem ganzen , Unflat der aufgeregten Phantasie, die sie jetzt beherrscht. 
War Hans Lody sein bürgerlicher Name oder nur ein Pseudonym? Aber während der 
Verhandlung vor dem Gericht — die englischen Blätter quetschen es aus wie Trester — 
entwickelt sich nun der bezahlte, verächtliche Spion zu einem deutschen Helden. 
„Was waren die Beweggründe Ihrer Handlungen?" fragte der Richter. 
„Ich habe einen Auftrag meines Vaterlandes erfüllt!" antwortete der Spion einfach 
und ruhig. Seine Haltung in der tagelang gehenden Verhandlung war von einer 
gefaßten, schlichten Männlichkeit, von einer fast überirdischen Ergebenheit in sein Schicksal, 
von einem begeisternden Adel, ohne jeden Versuch, die Milde des richterlichen Herzens 
zu berühren. Seine Tat war sein Blut gewesen. 
Während dieser Verhandlung geschah wieder eine von jenen englischen Unbegreiflich 
keiten, die gerade unter dem Druck der Feindschaft und des Hasses jetzt aufzublühen 
scheinen. Ein unbekannter Mann, ein Engländer, trat aus dem Zuschauerkreis heraus 
und aufgewühlt, zum tiefsten ergriffen für den starken, stolzen Menschenbruder, über dem 
das Todesurteil schwebte, weil er ein Held war, reichte er ihm die Hand. In der 
wilden, mit Gefahr, Verdacht, Angst, Neurasthenie geladenen Luft der Spionen-Gerichts- 
verhandlung schüttelte er dem Deutschen die Hand. Er wurde natürlich verhaftet. Bei 
einer energischen Untersuchung, an der sich die ganze Presse beteiligte, wurde festgestellt, 
daß er mit dem Angeklagten und seinem Vergehen nicht das Geringste zu tun hatte, 
daß er den Angeklagten überhaupt im Gerichtssaal zum erstenmal gesehen, und daß er 
irgend ein ordentlicher, anständiger englischer Bürger war, der sein Herz hatte sprechen 
lassen. Er wurde gleich auf freien Fuß gesetzt. 
Der deutsche Spion Hans Lody wurde der Vergehen des Landesverrats in vielen 
Fällen für schuldig erklärt und verurteilt. Aber der Richter verheimlichte die Strafe. 
Es steht natürlich Tod auf den Verbrechen, die Hans Lody begangen hatte." 
Am Abend vor seiner Hinrichtung hat Hans Lody seinen in Stuttgart lebenden An 
gehörigen einen Abschiedsbrief geschrieben, in dem seine ganze Heldengröße zum Ausdruck 
kommt. Der Brief lautet: „Tower of London, 5. November 1914. Meine Lieben! Ich habe 
auf meinen Gott vertraut, und er hat entschieden. Durch viele Gefahren des Lebens 
hat er mich geführt und immer errettet. Er hat mir die Schönheiten der Welt gezeigt, 
mehr als Millionen unter uns, und ich darf nicht klagen. Meine Uhr ist abgelaufen, 
und ich muß den Weg durchs dunkle Tal gehen, wie viele meiner braven, tapfern 
Kameraden in diesem furchtbaren Ringen der Völker. Da gibt es keine Wahl und keine 
Warnung, und darum gehe ich meinem Schicksal entgegen im selben Geiste und Mute 
unserer glorreichen Vorfahren. „Mit Gott für Kaiser und Reich!" Und möge mein 
Leben als ein bescheidenes Opfer auf dem Altar des Vaterlandes gewürdigt werden. 
Ein Heldentod in der Schlacht ist gewiß schöner, jedoch ist mir dies nicht beschieden, 
und ich sterbe hier im Feindesland still und unbekannt. Das Bewußtsein jedoch, im 
Dienste meines Vaterlandes zu sterben, macht mir den Tod leicht. Wenn ich auch meine 
Feinde nicht um Gnade flehte, so bat ich meinen Gott, mir gnädig zu sein, und dies ist
	        
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