Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

290 Großbritannien während des ersten Kriegshalbjahres 
Eine energische Abfertigung läßt allen diesen Hetzern der frühere englische Konsul in 
Gent, Frank Lethbridge, in der „Times" zuteil werden. Er schreibt: „Als ein Flücht 
ling aus Belgien und einer, der während des Feldzugs 1870/71 in Frankreich war, bin 
ich nicht wenig überrascht darüber, wie wenig meine Landsleute aus der Erfahrung 
lernen und wie wenig sie sich klarmachen, was es heißt, einen Feind im Besitz von 
Teilen ihres Vaterlandes zu wissen. Wenn die Sache nicht so ernsthaft wäre, würde 
ich darüber lachen, Ihre Korrespondenten die britische Regierung um eine authentische 
Auskunft darüber fragen zu sehen, was ein britischer Zivilist im Falle einer Invasion 
tun solle. Als ob die britische Regierung darin ein Wort mitzusprechen hätte? Die 
deutsche Regierung ist die einzige, deren Wort in einem solchen Falle ins Gewicht fallen 
würde, und sie hat niemals ein Geheimnis daraus gemacht, welches ihre Meinung in 
dem Falle ist, nämlich, daß, wenn ein Nichtkombattant auf einen deutschen Soldaten 
feuert oder ihn sonst beschädigt oder beleidigt, es für die Deutschen gesetzmäßig ist, so 
viel Zivilisten, als sie für angemessen halten, zu erschießen und diejenige Stadt, in der 
geschossen wird, ganz oder teilweise zu zerstören. Und sie weist aus Löwen, Mecheln 
und andere Städte hin zum Beweise, daß sie gewillt ist, ihrer Meinung Nachdruck zu 
verleihen. Anstatt diese verrückten Fragen zu stellen, würde es meiner Meinung nach 
besser sein, wenn die britischen Behörden mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln 
das britische Volk darüber aufklären wollten, daß jeder Zivilist, der dem Feinde Wider 
stand leistet, ein Feind seiner Mitbürger ist." 
Unterdessen werden im ganzen Land Freiwilligenverbände eingeübt, wie es die Re 
gierung vorgesehen hat. „Privatim" hatte man damit schon im September 1914 begonnen, 
wie der Brief eines Deutschen beweist, dessen Tochter damals aus England zurückgekehrt 
ist. Er schreibt: „Meine Tochter lernte einen englischen Pfarrer kennen, der allerdings 
als Student den Burenkrieg mitgemacht hat, und der nun alle Nachmittag mit seinen 
Chorknaben ausrückt und sie im Schießen einübt. Ein anderer Pfarrer hat um sein ganzes 
Dorf Schanzgräben auswerfen lassen. Beide Pfarrer leben in der Nähe von London. Wie 
sie, so scheinen es noch viele andere gemacht zu haben. Auch üben sich die jungen Mädchen 
in England jetzt überall im Pistolenschießen. Meine Tochter meint, wenn deutsche Truppen 
in England landen würden, so würde dort der Volkskrieg ebenfalls entbrennen." 
Spionagegefahr und Internierung feindlicher Untertanen 
18. Oktober 1914. 
Das englische Ministerium des Inneren (Loras oKiss) hat, um das Publikum zu 
beruhigen, eine ausführliche amtliche Mitteilung über seine Tätigkeit zur Unter 
drückung deutscher Spionage veröffentlicht. „Ungefähr 9000 Deutsche und Oester 
reicher", schließt der Bericht, „wurden festgenommen und werden als Kriegsgefangene be 
handelt. Unter ihnen ist eine Anzahl Leute, von denen die Polizei annimmt, daß sie 
bei etwaigen Unruhen gefährlich werden könnten." 
24. Oktober. 
Die englische Regierung hat beschlossen, alle im Lande wohnenden deutschen und 
österreichischen Untertanen, die im wehrpflichtigen Alter stehen, fest 
zunehmen. Mit der Durchführung dieses Beschlusses wurde sofort begonnen. 
4. November. 
Die englische Regierung teilt amtlich mit, daß sie Auftrag gegeben habe, alle feind 
lichen Reservisten auf neutralen Schiffen kriegsgefangen zu machen. 
6. November. 
Im Tower zu London wurde der wegen Kriegsverschwörung zum Tode verurteilte 
deutsche Oberleutnant zur See Karl Hans Lody erschossen.
	        
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