Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Die Kriegstagung der französischen Kammern 
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französischen Gendarmen roh und grausam verstümmelt und nachher grundlos tot 
geschlagen. In einem anderen Falle übersielen räuberische Horden französischer Sol 
dateska die Postagentur in Niedersulzbach, nahmen die Mitglieder der Posthalterfamilie 
gefangen, schleppten sie fort, behandelten sie unwürdig und grausam und warfen den 
gebrechlichen 68jährigen Posthalter die Treppe hinunter auf die Straße. Auch er wurde 
im Gefängnis in Belfort von feinem Wärter roh mißhandelt, mit Füßen getreten und 
derart gequält und geprügelt, daß er in der Nacht zum 17. August 1914 verstarb. Auch 
diese Fälle sind durch die eidlichen Bekundungen glaubhafter Augenzeugen erwiesen. 
Hält man hierzu die schmachvolle, jeder Gesittung hohnsprechende und alle völkerrecht 
lichen Vorschriften mißachtende Behandlung, die das deutsche Sanitätspersonal, wel 
ches das Unglück hatte, in französische Hände zu geraten, in Le Bourget, Fougtzres, 
St. Menshould, Vitry-le-Franyois, St. Irieux, Peronne, Saleux, Vincennes, Lyon, 
Amiens, Bourdeaux, Clermont-Ferrand und anderen Orten über sich ergehen lassen 
mußte —, berücksichtigt man ferner die grausame und erniedrigende Behandlung der 
Kriegsgefangenen in Perigueux, Granville, Puy-de-Dome, Montgazon, Fougeres, 
Castres, Mont Louis und anderen Gefangenenlagern, bedenkt man ferner die Verwen 
dung der gefährlichsten und schlimmsten Dumdum-Geschosse auf fast allen Teilen der 
französischen Schlachtlinie — gewollt und gebilligt durch die französische Heeresleitung 
—, so muß der französischen Regierung jede Berechtigung zu allgemeinen haltlosen 
Beschuldigungen und Verdächtigungen der deutschen Kriegsführung abgesprochen werden." 
Die Kriegstagung der französischen Kammem 
Die außerordentliche Session am 22. und 23. Dezember 1914 
Nachdem die französische Deputiertenkammer in ihrer Sitzung vom 4. August 1914 
die Kriegsvorlagen der Regierung genehmigt hatte (vgl. I, S. 54 f.), ist die Session zu 
nächst vertagt, am 2. September 1914 aber, als die Regierung nach Bordeaux über 
siedelte, geschlossen worden. So gelang es, Neuwahlen, die nach der klerikalen „Libre 
Parole" von der öffentlichen Meinung dringend verlangt wurden, zu vermeiden, weil 
dazu die vorherige Auflösung der Kammer nötig gewesen wäre. 
Am 13. Dezember 1914 unterzeichnete Präsident Poincare ein Dekret, das die Kam 
mern auf Dienstag, den 22. Dezember 1914, zu einer außerordentlichen Sitzung nach 
Paris einberief. Die Vorbereitungen wurden sofort in Angriff genommen. Zur Ver 
meidung störender Zwischenfälle traf die Hausverwaltung strengste Maßnahmen; auch 
die mit dem Wortlaut der ministeriellen Erklärungen vorher vertraut gemachten Partei 
führer einigten sich über jene Stellen der Rede, denen besonderer Beifall und Zurufe 
gewidmet werden sollten. Die ersten Sitzungen der Deputiertenkammer und des Senats 
dauernten daher auch nur 80 und 56 Minuten und verliefen durchaus programmgemäß. 
Schon lange vor Beginn der Kammerfitzung war das Palais Bourbon von 
Masten Neugieriger umlagert. Im Saale waren die Tribünen überfüllt; in der Diplo 
matenloge saßen die Botschafter und Gesandten der verbündeten Mächte und neutralen 
Staaten. Jswolski und Sir Francis Bertie wurden besonders bemerkt. Die Plätze 
dreier auf dem Schlachtfeld gefallener Abgeordneter waren mit schwarzem Flor ver 
hängt und mit Kränzen geschmückt. Die Deputierten waren vollzählig anwesend. 
Um 2 Uhr eröffnete der Kammerpräsident D e s ch a n e l die Sitzung. In seiner An 
sprache gedachte er der inzwischen verstorbenen Deputierten, insbesondere derjenigen, die 
im Kampfe gefallen sind. Im Namen des Parlaments äußerte er dann Bewunderung 
und Dankbarkeit für die Tapferkeit derer, die seit bald fünf Monaten im Felde stehen.
	        
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