Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Belgien unter deutscher Verwaltung 
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Am 25. August 1914 zog Freiherr von der Goltz mit seinem kleinen Stabe in Lüttich ein, 
wo er im erzbischöflichen Palais Wohnung nahm, und am 1. September 1914, um 4 Uhr 
nachmittags, traf er in Begleitung des Chefs der Zivilverwaltung, von Sandt, in Brüssel 
ein, um die Verwaltung des okkupierten Belgiens zu übernehmen. Die Zeit der Ein 
richtung des Generalgouvernements war nicht gut gewählt, denn in den ersten Tagen 
des Monats September wurde noch vor den Toren der Stadt gekämpft, und es gab 
Tage, in denen die Lage der nicht sehr starken Besatzung recht kritisch war. Dennoch 
konnten wir uns halten. Mit der Einnahme Antwerpens und der Besetzung Gents und 
der Küste wurde dann (allerdings erst Anfang Oktober) eine Situation geschaffen, die 
eine freiere Entwicklung der Tätigkeit des Generalgouverneurs gestattete. Man konnte 
dazu übergehen, nach der politischen Einteilung des Landes und der Provinzen, die Re 
gierungsgewalt zu dezentralisieren und jeder Provinz einen Militär- und einen Zivilchef 
zu geben. Dadurch kamen unsere Behörden in direkte Verbindung mit den Provinzial 
verbänden Belgiens und indirekt auch mit den Kommunalverwaltungen. Es entstanden 
dadurch Beziehungen zwischen den Deutschen und der einheimischen Bevölkerung, die von 
allergrößter Wichtigkeit für die fernere Verwaltung des Landes werden mußten. Feld 
marschall von der Goltz war ganz der Mann für diese Art der Verwaltung, für die 
sich auch der Zivilchef einsetzte. Denn es war klar, wenn man eine allmähliche Rück 
kehr zum normalen Leben anstreben wollte, wurde die Anteilnahme der Bevölkerung an 
den Geschicken des Landes notwendig. Auf diese Weise wurde vor allem erreicht, daß 
die Industrie zum Teil wieder arbeitete und daß maßgebende Persönlichkeiten aus der 
politischen Welt sich der Verwaltung zur Verfügung stellten, um das Volk über die 
Aufgaben der neuen Regierung zu unterrichten." 
Deutsche VerwaltungSmaßnahmen in Belgien 
Anfang Januar 1915 waren es vier Monate, seitdem die deutsche Verwaltung in den 
okkupierten Teilen Belgiens eingesetzt worden war, Zeit genug, um ihre Tätigkeit einer 
Betrachtung zu unterziehen. Die „Vosstsche Zeitung" schreibt: „Es kann für die Ver 
waltung Belgiens nur eine mittlere Linie in Frage kommen, die sowohl mit der Mög 
lichkeit rechnet, daß Belgien ganz oder zum Teil dem Deutschen Reiche angegliedert oder 
einverleibt wird, als auch mit der Möglichkeit, daß Belgien als selbständiges Staaten 
gebilde erhalten bleibt. In jedem Fall muß man zuerst dahin streben, daß das Land, 
das durch den Krieg und seine Folgen stark gelitten hat, dessen Handel und Wandel 
darniederliegt, wieder zu Atem kommt, daß seine Kräfte möglichst wieder belebt werden." 
Die deutsche Verwaltung hat diesen Weg mit Erfolg beschritten. Sie hat vor allem 
die Regelung des Geld- und Verkehrswesens fest in die Hand genommen (vgl. 
II, S. 188). Ueber die Ordnung des Geldverkehrs und die Einbringung der Kontri 
butionen wird in anderem Zusammenhang ausführlich zu sprechen sein. Der Einrichtung 
eines geordneten Postdienstes setzten die belgischen Unterbeamten einen starken passiven 
Widerstand entgegen. Obwohl sie unter Androhung strenger Bestrafung zum Dienst 
antritt aufgefordert wurden, weigerten sich die Brüsseler Postbeamten, so daß ein um 
fangreicher Briefabholdienst eingerichtet werden mußte, der nach einigen Wochen durch 
einen von deutschem Personal ausgeübten Bestelldienst abgelöst wurde. Die belgischen 
Beamten in Lüttich und Verviers nahmen den Dienst wieder auf, legten jedoch nach 
zwei bis drei Wochen die Arbeit gemeinsam nieder mit der Begründung, von der bel 
gischen Regierung eine entsprechende Weisung erhalten zu haben. 
Im Eisenbahndienst ergaben sich dieselben Schwierigkeiten, daneben auch noch verkehrs 
technische, da die belgischen Truppen u. a. fünfzig Maasbrücken zerstört hatten, die zum 
Teil erst wieder instand gesetzt werden mußten. Die Industrie konnte unter diesen
	        
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