Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Belgien unter deutscher Verwaltung 
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Belgim unter deutscher Verwaltung 
Von der belgischen Regierung in Le Havre 
21. November 1914. 
Der belgische Minister des Aeußern ist zurückgetreten. Der belgische Finanz 
minister macht bekannt, daß auch der Dezembercoupon der belgischen Staats 
schuld nicht bezahlt wird. 
6. Dezember. 
Belgien erhielt von England einen weiteren Barvorschuß von 100 Millionen 
Franken, woraus verschiedene dringende finanzielle Verpflichtungen eingelöst werden sollen. 
15. Dezember. 
Um ein neues Heer aufzustellen, fordert die belgische Regierung alle nach Frank 
reich gegangenen ledigen Flüchtlinge zwischen 18 und 30 Jahren auf, sich dem nächsten 
Rekrutierungsamt zu stellen. Die für tauglich Befundenen werden entweder in die Linie 
eingestellt oder den in Calais für militärische Arbeiten organisierten Kompagnien zugeteilt. 
Die französische Behörde wirkt bei der Durchführung dieser Maßnahme mit. Die 
„Jndöpendance Beige" meldet, das belgische Heer solle auf eine Stärke von 100 000 
Mann gebracht werden. 
* * * 
Der „Nieuwe Rotterdamsche Courant" gibt den Bericht eines Spezialkorrespondenten 
aus Le Havre wieder, der einige interessante Mitteilungen über die Tätigkeit der 
ausgewanderten belgischen Regierung enthält. Ihr Aufenthaltsort ist Sainte- 
Adresse, ein beliebter Badeort in der Nähe von Le Havre, dessen Villen der Regierung 
geräumige Unterkunft geboten haben. Die französische Republik hat die Exterritorialität, 
die sie den Belgiern bewilligt hat, vollkommen durchgeführt. Ueberall stehen die schwarz- 
gelb-roten Schilderhäuschen, vor denen belgische Soldaten Wache halten. Ein belgisches 
Postbureau ist eingerichtet, bei dem man Briefe mit belgischen Marken aufgeben kann. Autos 
mit belgischen Fahnen fahren durch die Straßen. Man sieht viel bekannte belgische 
Gesichter, und könnte glauben, sich in Belgien zu befinden. Nach der Schilderung des 
Berichterstatters herrscht in den Regierungsbureaus von Sainte-Adresse eine lebhafte 
Tätigkeit. Berichte über den gegenwärtigen Zustand des besetzten Landes treffen ein. 
Maßregeln für die Zukunft werden getroffen, Abgesandte ausgeschickt zur Wahrung der 
Interessen der belgischen Regierung. Ihr Vorsitzender, Kriegsminister de Broqueville, 
befindet sich meistens im Hauptquartier, kommt aber zu Ministerberatungen oder anderen 
dringenden Angelegenheiten herüber. Die anderen Mitglieder der Regierung sind alle 
in Sainte-Adresse: der Minister des Innern Berry er, der des Auswärtigen Davignon, 
der Justizminister Carton de Wiart, der Finanzminister Van de Vijvere, der Marine- 
und Postminister Segers, der Minister für Kunst und Wissenschaft Poullet, der Arbeits 
minister Hubert, der Ackerbauminister Helleputte und der Kolonialminister Renkin. Alle 
haben ihren Kabinettschef und ihr Bureau bei sich. 
Ausländische Diplomaten sind in großer Zahl anwesend, außer dem niederländischen 
Gesandten noch die des päpstlichen Stuhls, Frankreichs, Englands, Rußlands, Japans, 
Rumäniens, Italiens und Brasiliens. Eine große Zahl hochgestellter Belgier wurden 
Anfang Dezember 1914 mit besonderen Aufträgen ins Ausland geschickt, so die Kammer 
mitglieder Lorand und Destrse nach Italien, Professor Waxweiler, der Direktor des 
Solvay-Instituts in Brüssel, nach der Schweiz, um dort die Oeffentlichkeit zu bearbeiten. 
Der Staatsminister de Sadeleer gehörte zu der Delegation für Amerika, Herr Poolreiziger 
hat eine Regierungssendung nach den skandinavischen Reichen erhalten. Die Staats- 
Völkerkrieg. III. 15
	        
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