Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Vom Heer der Verbündeten 
211. 
falls hat er im Mißgeschick keinen Augenblick den Kopf verloren und ist in der Nieder 
lage ebenso ruhig geblieben wie später, wo er aus die Rückkehr des Waffenglücks rechnete. 
Für seine Geschicklichkeit in der Behandlung der Menschen und seinen Takt spricht das 
ausgezeichnete Verhältnis, das er zum englischen und belgischen Oberbefehl herzustellen 
verstanden hat und zu unterhalten weiß. Generale im Felde sind sehr empfindlich, und 
sie sind es doppelt und dreifach, wenn sie einem fremden Führer gehorchen sollen. Zwi 
schen General Joffre und den ihm unterstellten Briten und Belgiern hat es nie eine 
Reibung, ein Mißverständnis, einen Schatten gegeben. Das allein würde genügen, um 
chn als Charakter von ungewöhnlicher Bedeutung zu kennzeichnen. 
Die glücklichsten körperlichen Eigenschaften ergänzen seine moralischen Qualitäten. 
Dieser 63jährige nimmt es ah Frische und Spannkraft mit seinem jüngsten Leutnant 
auf. Er weiß nicht, was Müdigkeit ist. Er arbeitet achtzehn Stunden täglich, und wenn 
es sein muß, zwanzig. Er widmet seinen Mahlzeiten zwanzig Minuten. Er ist in Speise 
und Trank von äußerster Mäßigkeit. Er versagt sich jeden Luxus, selbst jede Bequem 
lichkeit. Und dieses Spartanertum beeinträchtigt seine Leistungsfähigkeit in keiner Weise. 
Alles in allem stellt General Joffre einen neuen Typus in der französischen Kriegs 
geschichte dar, ganz verschieden von den Conde, Heinrich IV., Turenne, Hoche, Napoleon, 
Bugeaud: nicht brillant, aber solid. 
Die französische Armee 
Die Vorzüge und Schwächen des französischen Soldaten sind aus den verschiedensten 
der hier wiedergegebenen Darstellungen hinreichend bekannt. Eine günstige Charak 
teristik aus deutscher Feder und eine weniger rühmliche Episode, die ein Engländer er 
zählt, mögen das Bild vervollständigen. 
Walter Oertel, der Berichterstatter der „Franffurter Zeitung", schreibt aus der 
Gegend von Arras: „Die der Armee gegenüberliegenden Franzosen setzen sich aus den 
verschiedensten Elementen zusammen. Sie sind zum großen Teil aus dem Süden und 
schlagen sich mit ganz hervorragender Bravour. Auch ihre Ausbildung ist überraschend 
gut, und wenn auch die Schießausbildung bei weitem nicht an die Sorgfalt des deut 
schen Infanteristen heranreicht, so befinden sich doch bei jeder Kompagnie verschiedene 
Scharfschützen, die mittels Zielfernrohr auf jedes Ziel feuern, das sie in dem 
feindlichen Schützengraben zu erkennen glauben. Und das nötigt sehr zur Vorsicht, denn 
besonders da, wo A l p e n j ä g e r liegen, sind schon sehr oft Leute selbst durch die Sand- 
sackverschartung angeschossen worden. Ihre Angriffe führen sie stets mit großem Schneid 
über das freie Feld aus; auch in der Nacht, bevor ich selbst in die Schützengräben vor 
Arras kam, waren sie zweimal sehr schneidig vorgestoßen. Die Bayern aber, denen sie 
in so ungemütlicher Weise die Nachtruhe störten, hatten ihnen ganz gehörig heimgeleuch 
tet; beide Angriffe waren unter dem fürchterlichen, in eisiger Ruhe abgegebenen Feuer 
mit ungeheuren Verlusten zusammengebrochen. 
Die Franzosen verwenden zu ihren Vorstößen selten Truppen, die in derselben Feuer 
stellung liegen, sondern holen aus der Reserve von einem anderen Orte Truppen heran 
und lassen diese dann anlaufen, ohne daß sie eigentlich recht wissen, wogegen sie an 
gehen. Diese frisch herangezogenen Truppen greifen stets mit großer Bravour an, klap 
pen dann aber um so eher zusammen, weil sie sich im Gelände nicht so zurechtfinden können. 
Bei der Infanterie tauchen nach und nach auch die neuen taubengrauen 
Uniformen auf. Die Gefangenen sind jedoch nicht sehr mit ihnen zufrieden, sie 
saugen sich bei Regenwetter sehr schnell voll Wasser, weil sie zu lose gewebt sind. 
In Maschinengewehren sind die Franzosen den Deutschen bei weitem unter 
legen. Die Feuergeschwindigkeit der deutschen Maschinengewehre ist bedeutend höher.
	        
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