Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Vom deutschen Heer 
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dabei nehmen sie ihre Stellungen so, daß man niemals vor ihnen sicher ist und es sehr 
schwer wird herauszufinden, wohin wir unsere Transporte, unsere Pferde usw. 
bringen sollen." 
Besonderen Respekt hat sich die deutsche schwere Artillerie zu verschaffen ge 
wußt. Ein aus der Front zurückgekehrter englischer Soldat erzählt dem Pariser Kor 
respondenten der „Times": „Es gibt allerlei Kanonen, aber das schwere deutsche 
Geschütz, das unsere Leute mit dem Spitznamen „Schwarze Marie" belegt haben, trägt 
doch den Sieg davon. (Schwarze Marie ist die Bezeichnung für den Londoner Gefan 
genentransportwagen.) Unsere Leute in den Verschanzungen an der Aisne erzählen 
Wunderdinge von den Verwüstungen, die von den Granaten der „schwarzen Marie" 
angerichtet wurden. Gegenüber den englischen Stellungen an einem gewissen Kanal — 
der Ort tut nichts zur Sache — haben verschiedene „schwarze Maries" Posten gefaßt. 
Wenn man sich mit einem Auto auf der Straße hinter unseren Stellungen sehen läßt, 
so schleudert die liebliche Maid sofort ihre Visitenkarte in Form einer Granate 
hinterher. Der durch die Explosion der Granate verursachte Luftdruck ist so groß, daß 
alles, selbst Häuser und Bäume rat Umkreise von wenigstens fünfzig Fuß umgerissen 
sind. Das Loch selbst, das solch eine Bombe in den Weg reißt, ist so groß, daß Mann 
und Automobil völlig darin verschwinden können. „Schwarze Marie" warf dieser Tage 
eine Granate in eine Gruppe von vierzig Pferden, die aus einem Feld bei einem Dorf, 
wo man sich keines Ueberfalls versah, ruhig weideten. Die ganze Herde wurde in 
Stücke gerissen, und von einem Unteroffizier, der in der Nähe gestanden hatte, fand man 
buchstäblich nichts anderes wieder als nur einen Arm und ein Bein. Ein General 
hatte mit seinem Stab neben einer Heumiete, die ihm als Deckung diente, Aufstellung 
genommen, um die Operationen zu verfolgen, während in der Nähe ein glücklicherweise 
leeres Automobil stand. Jemand von den Feinden, vielleicht eine Taube, muß die 
Gruppe von Offizieren bemerkt haben. Die „schwarze Marie" begann zu sprechen und 
ließ eine Granate vor das Auto niederfallen, das völlig verschwand; es war von der 
Erde verschlungen." 
Die deutsche Reiterei kommt in letzter Zeit, bei dem Kampf in den Schützen 
gräben, nur wenig mehr zu selbständiger Geltung. Umso mehr Lorbeeren hat sie sich zu 
Anfang des Krieges gepflückt. Der „Ulan" war der Schrecken des Feindes; die Bevöl 
kerung lebte in fast abergläubischer Furcht vor ihm. Ein hübsches Charakterbild der 
deutschen Patrouillenreiter entwirft ein Korrespondent des „Corriere della Sera". Er 
schreibt: „Dieser endlose Schwarm von Reitern, die das deutsche Heer vor sich herwirft, 
geht nicht nur über begangene Straßen, sondern über alle Straßen, über jeden Weg. 
Man darf nicht glauben, daß sie unbemerkt bleiben wollen. Sie wollen sich sehen lassen. 
Jede Schar geht voran, bis sie beschossen wird. Sie marschiert in bestimmter Richtung, 
bis sie auf den Feind stößt. Ihre Sorge ist es, wie sie dem Tode entgehen. Die ganze 
feindliche Front wird in dieser Weise abgesucht. Die Vorposten tasten die Kräfte des 
Feindes mit der Gefahr ihres eigenen Lebens ab. Von zehn Ulanen, die kampfunfähig 
werden, entkommen immer zwei oder drei und erstatten ihren Bericht. Wenn 
eine Patrouille verschwindet, so taucht auf ihren Spuren eine neue, stärkere auf. Das 
Feuer, mit dem sie empfangen wird, zeigt ihr die Stärke der Verteidigung, weil auf 
die ersten feindlichen Reiter alle Soldaten aus ihren Stellungen nervös schießen: das 
ist unvermeidlich und menschlich begreiflich. In jedem Dorf, vor jeder Baumreihe, bei 
jeder Geländebewegung muß sich der Ulan sagen: vielleicht ist hier der Feind. Er weiß, 
daß er keine Verteidigung hat und daß man unweigerlich auf ihn schießen wird. Er 
muß sich immer unter einer unsichtbaren Gefahr fühlen. Dennoch geht er dahin, ruhig 
und mit deutscher Disziplin."
	        
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