Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der Waldkrieg in den Argonnen 
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Der Krieg, der auf so engen Raum beschränkt ist, hat einen antiken Charakter an 
genommen. Längst ins Zeughaus verbannte Feuerwaffen kehren wieder auf den Schau 
platz ihres Ruhms zurück. In den französischen Laufgräben im Argonuenwald sieht 
man die „Crapouillots", die „alten Kröten", wieder in Aktion treten, jene kurzen und 
ungelenken Geschütze, die räderlos, den Schlund in die Lust streckend, auf einem riesigen 
Tisch hocken. Aus der Napoleonischen Zeit stammen diese alten Kämpen noch. Die 
modernsten unter ihnen tragen auf dem Rücken die Inschrift: „Freiheit, Gleichheit, 
Brüderlichkeit, Französische Republik 1849". Sie schleudern Bomben mit laugen Lunten. 
Geladen werden sie je nach dem Wetter. Sechzig Gramm Pulver bei trockener Luft. 
Cs handelt sich dabei um eine Barometerfrage. Dieselbe Dosis kann die Bombe bis 
aus Ende der Welt expedieren oder sie auch je nachdem auf den Rand des Laufgrabens 
zurückfallen lassen, in welchem Falle es eine allgemeine Flucht unter den Kanonieren 
gibt, die dagegen hochbefriedigt mit sich sind, wenn sie die Bombe regelrecht wie einen 
Fußball dahinschießen sehen, während der Maulwurfsschwanz mit der rauchenden Lunte 
lustig nachwackelt. Die Deutschen sind noch weiter in der Kriegsgeschichte zurückgegangen 
und haben einen Apparat aus Licht befördert, der den atmosphärischen Eindrücken 
gegenüber vollständig unempfindlich ist: die gute alte Holzmangel. Ihre Geschosse 
kommen ohne das geringste Geräusch an, nichts, das sie ankündigt. Man hört ein 
Rascheln in den Zweigen der Bäume, und schon sieht man aus der Höhe einen großen 
metallischen Ballen sich selbst überschlagend herabstürzen, der mit höllischem Getöse ex 
plodiert. Aus den offiziellen deutschen Berichten wissen wir, daß man diese Geschosse 
„Lufttorpedos" nennt. Es sind Ofenrohre, die an beiden Enden geschlossen sind und 
Kartätschen und Explosivstoffe enthalten." 
Episoden aus den Kämpfen im Argonnenwald 
Die „Frankfurter Zeitung" veröffentlicht folgenden Feldpostbrief: „Ist das ein merk 
würdiger Krieg! Am hellen Tage kann man sich stundenlang damit amüsieren, das Spiel 
der Flieger zu beobachten. Die Artillerie umsäumt sie mit einem lichten Gewinde von 
weißen Wölkchen. Dazwischen tummeln sich die Flieger frei und munter weiter. Ge 
legentlich stechen zwei Flieger auf einander wie verliebte Raubvögel. Der kleinere macht 
sich daun scheinbar aus dem Staube, wenn man so sagen darf. Gleich kommt er aber 
wieder zum Vorschein, um das neckische Spiel mit der Artillerie oder dem Herrn Kollegen 
von der anderen oöts fortzusetzen. Bis er gesehen hat, was er sehen wollte. Daun zieht 
er ruhig ab. 
„Hier is die Seituug und der Tabak!" 
„Was segscht du do?" ruft der biedere schwäbische Landwehrmann zurück. 
Und wieder spricht die Stimme hinter dem Schutzschild des nur sechs Meter ent 
fernten französischen Schützengrabens: 
„Hier is die Leitung und der Tabak." 
„Halt dei Gosch, bei saudumme," lautet jetzt die schwäbische Antwort. 
„O, Sie is eine dumme Swaben," gibt der Franzose zurück. „Mit Ihre vorige 
Kameraden wir hatten gute Konversation. Sie gaben Seitung und Snaps und wir 
gaben Seitung und Tabak. O, Sie dumme Swaben." Gleich darauf fällt etwas in 
der Nähe nieder, wie wenn ein Stein zur Erde fällt. Wir kennen das und bücken uns 
und drücken uns so krampfhaft und herzhaft an die Grabenwand, als ob wir den eigenen 
Schützengraben eindrücken wollten. Nach zwei oder drei Sekunden kracht es, und die in 
der Nähe niedergefallene Handgranate überschüttet uns mit einem Regen von Dreck und 
Steinen. Das wiederholt sich noch ein halbes Dutzend mal. Wir werfen wieder. Nach 
einer halben Stunde hat man sich gegenseitig beruhigt und zieht sich vorläufig wieder
	        
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