Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

154 Die Entwicklung der Schlachtlinie im Westen bis zum Kanal 
verbogenen Eisenträgern gehalten. Oben aus der Oberfläche des Forts ist alles aufs 
schauderhafteste zerwühlt. Man sieht die zwölf Panzertürme des Forts in einem Halb 
bogen liegen, aus die verschiedenste Weise zerstört. Am tollsten bei einem in der Mitte, 
wo der dicke Panzerplattenhelm wie der Deckel von einem zerschlagenen Einmachglas bis 
auf ein paar Splitter fortgesprengt ist. Ein Teil von ihm steht, übermannshoch auf 
ragend, etwa zehn Meter seitwärts aufrecht gestellt im Erdreich wie ein Scherben, den 
ein Knabe spielend in den Sand gesteckt hat. In dem nun offenen Jnnenraum des 
Turms sieht man wie in einem Gerümpelbehälter allerlei Maschinenteile, Zahnräder, 
Geschützrohre usw. wüst durcheinander geworfen liegen. Bei einem andern benachbarten 
Turm beobachtet man die beinahe noch erstaunlichere Wirkung auf den Eisenbeton. 
Mehrere Meter dick ist hier der Betonmantel aufgeschlagen wie in einem Steinbruch, 
und das Geflecht der Eisenbänder, mit denen er in den obern Teilen durchsetzt ist, starrt 
zerfetzt und durcheinandergewirrt aus der stehengebliebenen Steinmasse heraus. Es über 
läuft einen, wenn man so etwas steht, immer wieder eiskalt bei der Vorstellung, daß 
hier Menschen darin gewesen sind, die wußten, daß solche Geschosse in ungeheurem, sechs 
Kilometer hohem Bogen herangeflogen kamen, und man kann dem Kommandanten, der 
solch ein Fort übergibt, den Vorwurf der Mutlosigkeit nicht mehr machen; dagegen kann 
kein Menschenwille an. 
Bei einem der Panzertürme des Forts Lierre sah ich wieder eine andere Wirkung, 
die, wenn möglich, noch unbegreiflicher war. Der Schuß hatte hier ein wenig vor dem 
Turmrand eingeschlagen, hatte dabei zuerst sieben Meter Erde durchbrochen, sodann unter 
der Erde die 2,20 m dicke Betonwand des Panzerturms, dann die Stahlwand des Turms 
selbst, hatte dessen Inneres zerstört und war auf der andern Seite wieder heraus 
gekommen. Die zerplatzte Hülle der riesigen Bombe lag neben dem Spalt, den sie 
geschlagen, noch da. Fast noch wunderbarer aber als diese Kraft erscheint die Genauig 
keit. mit der es möglich ist, auf 12 bis 13 km. einen so winzigen Punkt zu treffen, wie 
es ein Panzerturm auf solche Entfernung ist." 
Am 5. Oktober wurden auch die am weitesten östlich gelegenen Forts Kessel und 
Broechem durch die Kanonen unserer österreichisch-ungarischen Verbündeten zum 
Schweigen gebracht. Die Beschießung von Broechem wurde noch durch den nächtlichen 
Besuch eines Zeppelin unterstützt, der Bomben herabwarf. Erobert wurde das Fort 
nachher durch einen nackten Landwehrmann. Der warf, als nach der Kanonade dort 
alles schwieg, seine Kleider ab, durchschwamm den Graben, fand das Fort leer und 
hißte auf den Wällen die deutsche Fahne. 
Die Kämpfe auf der Westseite 
Am 3. Oktober setzten die Deutschen auch in der Gegend von Termonde (vgl. S. 149) 
stärkere Kräfte ein, um den Uebergang über die Schelde zu erzwingen. Energisches 
Artilleriefeuer sollte den Versuch, die Brücke bei Schoonaerde zu überschreiten, decken, aber 
er wurde durch den zähen Widerstand überlegener gegnerischer Kräfte zunächst vereitelt. 
Nun änderten die Deutschen ihre Taktik. Ein englischer Korrespondent berichtet: „Statt 
mit starken Streitkräften nach Schoonaerde zu dringen, zogen die deutschen Truppen in 
der Nacht zum 5. Oktober in aller Stille nach einem Punkte am Ufer weiter östlich 
und legten dort eine Pontonbrücke. Am nächsten Morgen wurden 500 Mann Infan 
terie gesichtet, die über den Fluß setzten. Die belgischen Patrouillen, die sie entdeckten, 
eröffneten das Feuer, waren aber zu schwach und mußten sich auf die Hauptmacht zu 
rückziehen. Zu gleicher Zeit nahmen die Deutschen überall dem Flusse entlang das Ge 
fecht auf. Die stärkste belgische Stellung war bei Berlaere, Schoonaerde gegenüber, von wo 
aus verschiedene Batterien die deutsche Pontonbrücke unter Feuer nahmen. Während des
	        
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