Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

146 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
Die Franzosen haben nichts zu esien und keine Munition. Endlich kommt die Nachricht, 
daß eine Brücke bei Missy geschlagen ist. Der Rückzug muß rasch erfolgen. Wer weiß, 
wie lange die Brücke hält. Das Fort von Conde deckt den Rückzug. Die Infanterie 
überschreitet in langen Zügen die Aisne. Der Morgen des vierzehnten dämmert. Die 
Deutschen bemerken den Rückzug und erneuern den Angriff, aber nur ein kleiner 
Teil der Infanterie ist noch auf dem rechten Ufer. Der größte Teil der Armee hat sich 
auf das linke Ufer retten können." 
Nach Erzählungen von Flüchtlingen aus der Umgegend von Soissons hatten die Deut 
schen stromaufwärts die Wehre der Aisne in die Luft gesprengt, um das Anschwellen 
des Flusses unwiderstehlich zu gestalten. Soissons selbst wurde am 14. Januar so heftig 
beschossen, daß längeres Verweilen in der Stadt unmöglich war; einige Tage darauf 
wurde sie auf Anordnung der Militärbehörde geräumt. 
Der deutsche Sieg bei Soissons war nicht einer wohlüberdachten deutschen Offensive 
zu verdanken, sondern nur der geschickten Ausnutzung eines erfolgreichen Gegenangriffs. 
Darum konnte er zunächst auch keine reicheren Früchte tragen. Die französische Heeres 
leitung erkannte dies sofort und wies natürlich mit allem Nachdruck darauf hin, was 
aber nicht verhindern konnte, daß die Niederlage in Paris einen niederschmetternden 
Eindruck machte. General Lacroix schrieb im „Temps": „Wir haben bei Soissons 
eine empfindliche Niederlage erlitten, aber sie ist wieder auszuwetzen. Die deutsche 
Ueberzahl zwang unsere Soldaten zu äußerst mühsamem Ueberschreiten der Aisne, wobei 
wir viel Material verloren. Der Grund für die Niederlage waren mangelnde Reserven. 
Warum sie ausblieben, muß die Untersuchung zeigen. Das Hochwasser ist kein genügen 
der Grund." Die Hälfte des Artikels war von der Zensur gestrichen worden. 
Die Joffresche Offensive hatte an der Stelle, wo sie am stärksten einsetzte, die enl- 
scheidendste Niederlage erlitten. 
Episoden 
Richard Dehmel als Schützengraben-Korrespondent 
Wo sich die beiderseitigen Schützengräben nahe genug gegenüberliegen, hat sich man 
cherorts eine lebhafte Korrespondenz zwischen ihnen entwickelt. Einen derartigen Brief 
wechsel sendet der Dichter Richard Dehmel der „Frankfurter Zeitung" aus dem Feld 
lager südlich von Noyon. 
Der erste Brief wurde von einer der deutschen Patrouillen bei Morgengrauen in der 
Nähe des französischen Schützengrabens (etwa 50 Meter davon entfernt) an einen Baum 
geheftet und lautete: „Soldats frangais courageux! Vous versez votre sang inu- 
tilement pour ces Anglais hypocrites qui trichent tout le monde sans vous servir. 
Ils livrent la France ä la häche, comme dejä la Belgique, et vous devez rester lä 
mourant de faim. Nous avons pris Anvers, fait prisonniers presque 300 000 Rus- 
868 et sommes victorieux sur tonte la ligne. C’est la verite, la pure verite, mal- 
gre tous les mensonges anglais. Passez chez nous; vous serez traites en amis. 
Vous aurez ä manger avec tous les dix doigts, et vous n'aurez rien ä craindre de 
notre part. Nous n'avons que pitie de vous. Ne savez-vous pas que nos muni- 
tions et vivres durent encore pour des annees? Celui qui passera chez nous pen- 
dant les deux jours suivants avec un drapeau ou quelque autre chose de blanc, 
et naturellement sans armes, sera regn hospitalement. Pour cette promesse don- 
nent leur parole d'honneur Manitius, officier prussien, Dehmel, poete allemand.“ 
Einige Tage später fand eine Patrouille folgendes Schreiben (in deutschen Buchstaben) 
an denselben Baum angenagelt (wortgetreue Abschrift): „Antwort an den Brief von den
	        
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