Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

D i e Belagerung von Antwerpen 
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graben angelegt. Ueber uns weg sausten dabei fortwährend unsere Granaten in das 
Fort hinein, oft drei bis vier auf einmal mit lautem Donnern, daß der Schmutz und 
das Wasser hoch aufspritzten. Ein Schauspiel grausig, schrecklich, wenn man menschlich 
dabei denkt; das tut man aber nicht, sondern man hat dabei ein heißes Gefühl der 
Freude und der Lust, wenn es so recht um einen pfeift, kracht, brüllt und blitzt. Als 
dann die Besatzung des Forts die belgische Artillerie von unserer Stellung benachrichtigt 
hatte, kamen die belgischen Granaten und Schrapnells herangeblitzt. Die Granaten 
schlugen dauernd 100, 50, 20 Meter vor und hinter uns ein. Getroffen wurde aber 
keiner von uns. Bald hatte unsere Artillerie die feindliche entdeckt und schon hörten 
wir die deutschen Granaten über uns sausen, hin auf die feindliche Artilleriestellung 
und sofort hörte das Feuer auf, denn unsere Artillerie schießt ausgezeichnet. Aber die 
Feinde gaben immer noch keine Ruhe; anscheinend hatten sie einige Panzerautomobile, 
die von einem Platz zum andern fuhren, aufprotzten und ein paar Schüsse abgaben. 
Man konnte sie gar nicht richtig entdecken. Unterdessen dauerte die Beschießung des Forts 
fort; es wurden in der Minute, wie ich gezählt habe, im ganzen sechs bis acht Schüsse 
abgegeben, auf das Fort sowohl wie auf die feindliche Artillerie und Infanterie. In 
der Nacht sollten wir das Fort stürmen, aber es wurde bis zum andern Morgen ver 
schoben. Dadurch blieb uns der Sturm erspart, denn am andern Morgen war die 
Besatzung entwischt. Um 9^ Uhr wehte auf dem Fort die deutsche Kriegsflagge." 
Die Granaten, die aus den österreichisch-ungarischen Motorbatterien 
in die Forts flogen, hatten die Soldaten vorher mit Kreideaufschriften versehen. Die 
erste trug die Inschrift: „Als erster Willkommensgruß!" Ein Berliner Korrespon 
dent erinnert daran, daß es sich hierbei um eine Jahrtausende alte Soldatensitte 
handelt. „Auf den Schlachtfeldern von Marathon," schreibt er, „wurden Hunderte von 
Schleuderbleien gesunden, die in Reliefschrift die wüstesten Schimpsworte und derbsten 
Verwünschungen enthielten. In Berliner Privatbesitz sind noch etwa zwanzig dieser 
interessanten Dokumente griechischer Soldatensitte erhalten. Auch im Kopenhagener 
Museum liegen zwei dieser Bleie, deren Aufschrift man kaum andeuten kann. Von hier 
aus, über die Jnschriftpfeile, die man im Mittelalter schleuderte, wuchs diese Sitte 
fort, und heute, vor Antwerpen, schreiben harte, ehrliche Soldatensäuste einen derben 
Segensspruch auf die modernsten Geschosse." 
Professor Wegener hat verschiedene der zerschossenen Außenforts unmittelbar nach 
der Einnahme besichtigt. Er schreibt über die Wirkung der Beschießung: „Inder 
Ferne sehen wir bei Waelhem die dunkle Masse des zusammengeschossenen Forts, das 
die österreichischen Motorbatterien bezwungen haben. Unsere noch gewaltigeren Zweiund- 
vierziger haben das Nachbarfort Wavre-St. Catherine zusammgeschosfen. ... Obwohl 
ich Fort Lonein bei Lüttich (vgl. die Abb. I, S. 213) gesehen hatte, bin ich doch von 
neuem wie betäubt gewesen von dem Eindruck der fürchterlichen Kraft, die hier gespielt 
hat. Worte können dem Leser eine eigentliche Vorstellung davon nicht geben. Man 
muß diese aus schwerstem, härtestem Stahl hergestellten Panzertürme vor sich sehen, die 
wie irdene Töpfe zerschmissen sind, und diese meterdicken Betonmauerungen, die zer 
trümmert liegen wie ein lockerer Kalkbewurf. Und selbst dann erlahmt noch die Phantasie 
dabei, sich den Vorgang wirklich auszumalen; man sieht die Wirkung und begreift sie nickt. 
Fort Wavre-St. Catherine ist wie Waelhem von einem breiten Graben umgeben, der 
aus der Rückseite, zur Festung hin, einen Brückenzugang hat. Gleich hinter dem kase- 
mattierten Toreingang, der noch durch eine Zugbrücke und doppelte Eisentore mit Schieß 
scharten geschützt ist, hat ein 42er Geschoß die Kasemattendecke durchschlagen. Ueber einen 
Schutthaufen klettert man hinein. Im Innern ist in weiter Umgebung dieses Schusses 
überall das Gewölbe geborsten, zum Teil herabgestürzt, zum Teil nur noch mühsam von
	        
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