Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

138 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
alte Krönungsstadt der französischen Könige jetzt ist. Kein Licht darf gebrannt werden; 
weder auf der Straße noch aus den Fenstern der Häuser darf ein heller Strahl leuchten. 
In den Gasthöfen ziehen die Angestellten doppelte dunkle Vorhänge vor die Fenster, ehe 
sie Licht anzünden. Auf der Straße herrscht ägyptische Finsternis. Von Zeit zu Zeit er 
klingt der Schritt einer Militärpatrouille, die nachprüft, ob auch kein Lichtschein aus 
irgendeinem Hause den deutschen Geschützen ein Ziel zu bieten vermag. In den drei 
oder vier Cafes und Restaurants, die ihren Betrieb aufrecht erhalten haben, sieht man 
nur Uniformen. Schon einige Minuten vor 9 Uhr ertönt der Ruf: „On ferme!“ Man 
schließt mit größter Pünktlichkeit, und die Gäste müssen in dunkler Nacht ihre Irrfahrt 
nach dem oft im Keller gelegenen Heim oder dem Hotel antreten. 
Die Angriffe der Franzosen in der Gegend von Souain — Perthes 
Besonders heftig setzte die französische Offensive in der zweiten Hälfte des Dezember 
in der Gegend von Souain — Perthes, zwischen Reims und dem Westrand 
der Argonnen ein (vgl. Karte S. 127), wo schon Ende November und Anfang Dezember 
heftig gekämpft worden war. Ein abschließender — halbamtlicher — Bericht darüber sagt: 
„Seit dem 17. Dezember 1914, dem Tage an dem General Joffre die allgemeine Offen 
sive befahl, ist ein voller Monat ins Land gegangen, ohne daß es den Verbündeten gelungen 
ist, unsere ausgedehnten Linien an irgend einer Stelle zu durchbrechen. Zwischen Reims 
und den Argonnen haben die Franzosen besonders große Anstrengungen gemacht. Ihr 
Angriff begann dort am 20. Dezember und brachte an diesem ersten Tag unbedeutende 
Teile unserer Schützengräben in ihre Hand, Schützengräben, die sich aus der allgemeinen 
Verteidigungsfront nach und nach feindwärts verschoben hatten und einem konzentri 
schen Angriff daher besonders ausgesetzt waren. In ununterbrochenen Angriffen haben 
sich die Franzosen bemüht, diesen anfangs errungenen Vorteil zu erweitern. Täglich 
lag das vereinigte Feuer ihrer schweren Batterien auf bestimmten Teilen unserer Front; 
beinahe täglich stürmte die französische Infanterie gegen unsere Gräben vor; immer 
dichter wurde das Totenfeld vor unserer Front, immer größer die Zahl der französischen 
Gefangenen. Es soll nicht geleugnet werden, daß die französische Infanterie anfangs 
mit Aufopferung und Schneid an ihre Aufgabe heranging. Die Berichte des französischen 
Nachrichtendienstes waren in den Wochen vor dem allgemeinen Angriff eigentlich nur 
noch ein Lobgesang auf die unwiderstehliche Gewalt der französischen schweren Ar 
tillerie gewesen. Unter dem dauernden Eindruck dieser Berichte mußte in der fran 
zösischen Infanterie die Ueberzeugung Platz greifen, daß sie bei einem Angriff eigentlich 
nur zu ernten haben würde, was die schwere Artillerie gesät. Sie hat schnell einsehen 
gelernt, daß man bei den Lobgesängen auf die französische schwere Artillerie einen Um 
stand völlig außer Acht gelassen hatte: die Widerstandskraft unserer Infanterie! In 
diesem Punkt stimmte die Rechnung nicht. Es war dann auch deutlich zu erkennen, wie 
die anfängliche Zuversicht der französischen Infanterie mit jedem neuen Angriff nachließ 
und sich nach und nach in die Ueberzeugung wandelte: es ist nutzloses Blutvergießen, 
immer wieder gegen die deutsche Stellung anzurennen. Auch als die Franzosen frische 
Kräfte ins Feuer führten, brach deren unverbrauchte Kraft an dem zähen Widerstand 
unserer Infanterie zusammen. Es ist erwiesen, daß die französischen Offiziere schließlich 
auf ihre Leute mit der nachgerade abgebrauchten Lüge einzuwirken suchten, daß wir 
ihre Gefangenen zu Tode quälen. Sie übersehen dabei ganz, daß diese Lüge weiter nichts 
beweist, als daß die französische Infanterie durch Angst vor Schlimmerem davon ab 
gehalten werden soll, sich dem Feind zu ergeben. Die Lüge hat übrigens nicht viel ge 
nutzt. Die zahlreichen Gefangenen aus den Kämpfen im Dezember und Januar sind zu
	        
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