Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

120 D i e Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1918 
der vom Kriege betroffenen Gebiete ist eine derart weitgehende, daß nach dem 
Friedensschluß diese Landstriche veröden werden, weil kein Mensch Mut und Mittel 
besitzt, solche Verwüstung aufzuräumen. Die Dörfer sind verbrannt, die Felder 
durch die Schützengräben und ausgehobenen Annäherungswege derart zerwühlt, 
daß Tausende jahrelang arbeiten können, um nur diese wieder einzuebnen. Die Wege 
sind zerschossen, zertreten und zerfahren, sie müssen sämtlich neu gebaut werden. Allein 
die Herstellung der staatlichen Landstraßen wird der französischen Regierung unge 
heuere Beträge kosten; aber auch für den Neubau der Kommunalwege wird der Staat 
sorgen müssen, weil die Gemeinden kein Geld mehr haben und ihre Bevölkerung, 
wenn sie auch zurückkehren sollte, wenigstens ein halbes Jahrhundert ohne Mittel sein 
wird. Schulen und Kirchen, dann die staatlichen Gebäude, Bahnhöfe, Post, Präfektur, 
Gendarmeriestation, Kasernen, alles in Trümmern. Brücken und Eisenbahnkunstbauten 
sind vernichtet, die Privathäuser eingestürzt, die Fabriken fast alle ausgebrannt und be 
triebsunfähig geworden, die Maschinen teils ganz vernichtet, teils so beschädigt, daß sie 
nur einen Haufen alten Eisens darstellen, das Vieh getötet und weggeführt, die landwirt 
schaftliche Tätigkeit für die Landeseinwohner dieser Distrikte unterbunden, die Feldbestellung 
unmöglich gemacht, die Bezirke, in denen sich der Positionskrieg abspielt, völlig entvölkert. 
Und das bringt alles die neue Kampfessorm mit sich. In keinem aller früheren Feld 
züge wurde ein Gebiet so andauernd und hartnäckig vom Kriege heimgesucht, wie es bei 
den vom Stellungskampfe getroffenen Gebieten dieses Feldzuges der Fall ist. In den 
früheren Kriegen handelte es sich, mit Ausnahme der Belagerung fester Plätze, um 
Offensivschlachten im freien Felde. Die Heere stießen an irgend einer Stelle aufeinander, 
es kam zu ein-, manchmal auch mehrtägigen Kämpfen, bis die Widerstandskraft der einen 
Partei gebrochen war. Tann ging die geschlagene Partei zurück und der Gegner folgte 
ihr. Auch bei dieser Art des Kampfes gingen Dörfer in Flammen auf und Felder 
wurden zertreten. Es fand aber doch keine so gründliche systematische Vernichtung aller 
wirtschaftlichen Werte statt, wie es in diesem Feldzuge der Fall ist. Sobald sich eine 
Schlacht in einer Gegend abspielte, flüchteten die Einwohner aus dieser oder verkrochen 
sich in die Keller, bis die Kriegsfurie vorbeigerauscht war. Dann kamen sie wieder zum 
Vorschein, um die entstandenen Schäden auszubessern. So gehörte es zum Beispiel im 
Feldzuge 1870 zu den größten Seltenheiten, daß ein Dorf gänzlich vernichtet wurde. 
Ich entsinne mich nur eines einzigen Falles, nämlich des Dorfes Bazeilles bei Sedan 
das nach erbittertem Straßenkampfe, an dem sich auch die Einwohner beteiligten, 
genommen wurde. Eine Beschießung offener Städte fand ebenfalls mit einer einzigen 
Ausnahme — Chateaudun — überhaupt nicht statt. Der an Grund und Boden an 
gerichtete Schaden war minimal, die Felder konnten sofort wieder frisch bestellt werden. 
Und wie sieht es jetzt dagegen aus! In monatelanger Beschießung werden blühende 
Städte wie Arras, Zentralen des Handels und der Industrie, in wirre Trümmerhaufen 
verwandelt. Ter Schaden der täglich durch diesen stationären Kampf an den in der 
Vorderlinie liegenden Dörfern und kleineren Städtchen angerichtet wird, steigert sich von 
Tag zu Tag, und die Zahl der Dörfer, von denen nur noch Ruinen stehen, ist kaum zu 
zählen. Ein großer Teil der Schuld trifft dabei die Franzosen selbst, die systematisch 
ihre eigenen, hinter der deutschen Front gelegenen Ortschaften beschießen, um so den 
Deutschen Gelegenheit zur Unterkunft zu rauben und sie zu beunruhigen. Ist das schon 
bei den Franzosen der Fall, kann der Leser sich einen Begriff davon machen, um wie 
viel rücksichtsloser noch die Engländer vorgehen, deren Artillerie bei Bethune und Armen- 
tiäres — dicht nördlich von uns — die unglücklichen Ortschaften beschossen haben. Die 
Erhöhung der zerstörenden Wirkung ist auch daraus zurückzuführen, daß man im Positions 
kampfe Zeit und Gelegenheit hat, selbst die schwersten Kaliber heranzuführen und in
	        
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