Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

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114 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
verlassen dürfe. Es wurden nun sofort zwei Unteroffiziere als Wache vor das Tor ge 
stellt, so daß sich während der ersten Zeit die Franzosen tatsächlich selbst in der Zitadelle 
bewachten. Erst später kamen einige Geschütze nach, und eins derselben wurde gewisser 
maßen als Pfropfen vor den Zugang zur Zitadelle postiert. Die noch in der Stadt be- 
stndlichen Truppen wurden entwaffnet und in der Markthalle untergebracht. Es gerieten 
insgesamt in Gefangenschaft: vier bis fünf Bataillone Territorialtruppen, ein Kaval 
lerie-Regiment und eine Abteilung von 200 bis 300 Spahis. Die ganze deutsche Streit 
macht, die in der ersten Nacht in Lille war, bestand lediglich aus sechs Kompagnien und 
einigen Geschützen. Erst am anderen Morgen kam der Rest der Division nach. 
Bei Durchsicht der Papiere des französischen Kommandanten zeigte sich auch, warum 
dieser Lille so hartnäckig zu verteidigen suchte. Ein am 12. Oktober datierter Befehl des 
Oberbefehlshabers der 10. französischen Armee teilte ihm seine Ernennung zum Oberst 
leutnant mit und befahl ihm, Lille bis zum Aeußersten zu halten. Die ganze 10. Armee 
unter General Maudhuy rücke zu seinem Entsätze heran, die Kavallerie werde noch am 
Abend des 12. in Lille sein. Aber Lille wurde genommen, und die französische Hilfe kam 
nicht (vgl. den deutschen Generalstabsbericht vom 14. Oktober, II, S. 104). 
Die Einnahme von Lille ist eine der schönsten Waffentaten des in schon so vielen 
schweren Kämpfen erprobten sächsischen 19. Korps." 
„Die Stadt Lille," berichtet Oertel weiter, „hat recht erheblich durch die Be 
schießung gelitten. Hinter dem Denkmal des bekannten Führers der Nordarmee General 
Faidherbe stehen nur Ruinen und auch an der Porte de Douai und um das Theater herum 
ist recht lebhaft geschossen worden. Das Theater selbst ist wie durch ein Wunder ver 
schont geblieben. Die Kommandantur ist in einer Bank eingerichtet, deren Schalter 
man sehr praktisch als Auskunftsstellen eingerichtet hat. Im übrigen zeigt die Stadt 
Lille ein reges geschäftliches Treiben. Alle Geschäfte sind geöffnet und verdienen gut. 
Die Truppen brauchen viel, und wer von der Front hereinkommt, macht in Lille seine 
Einkäufe. Auf dem Hauptplatz steht eine alte Revolverkanone; bei der wirklich recht 
guten Haltung der Bürgerschaft von Lille dürfte sie aber kaum jemals Verwendung finden. 
Das militärische Bild überwiegt im Straßenleben. Zahlreiche Offiziere bevölkern die 
Straßen und Restaurants, Mannschaften kommen von der Front, Kolonnen ziehen durch 
und zahlreiche Automobile sausen durch die Straßen. Ab und zu rasselt auch mit mäch 
tigem Gepolter eine Anzahl Automobillastzüge über das Pflaster, um Munition und 
Proviant an die Front zu bringen oder zu holen..." 
In der Nähe der Zitadelle von Lille, wo jetzt eine deutsche Kompagnie als Wache 
liegt, ist von den Deutschen auch eine gut arbeitende Bäckerei eingerichtet worden, in der 
nicht weniger als 2000 Brote am Tag gebacken werden. 
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Am 7. Januar begingen die Bayern den 70. Geburtstag ihres Königs, Ludwig III.» in 
Lille durch eine große Parade. W. Scheuermann erzählt davon in den „Leipziger Neuesten 
Nachrichten": „Die in der Stadt anwesenden bayerischen Regimenter stellten sich auf 
dem berühmten „Place de la Republique" zwischen der Präfektur und dem Museum der 
Schönen Künste auf und zogen mit klingendem Spiel an dem Thronfolger vorüber, der 
mit seinem Stabe zu Pferde vor dem Reiterstandbilde des Generals Faidherbe Auf 
stellung genommen hatte. Kronprinz Rupprecht hielt eine kurze Ansprache an seine 
Truppen, die diese mit brausenden Hochrufen auf den König beantworteten. Die Hal 
tung der Soldaten, namentlich der Schneid der Landstürmer, die ihren jungen Kamera 
den einen musterhaften Parademarsch vormachten, mußte jeden Deutschen mit heller 
Freude erfüllen und hinterließ einen tiefen Eindruck bei den in Lille anwesenden Presse 
vertretern des neutralen Auslandes. Die militärischen Gebäude zeigten Festschmuck;
	        
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