Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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zum Nebenhaus, dann ebenso noch in zwei Häuser, und waren schließlich am Ende des 
Dorfes. Zum Glück wurde es dunkel; so gelang es uns, kriechend im größten Kugel 
regen unseren Schützengraben zu erreichen." 
Frieden im Krieg 
Ein englischer Berichterstatter, Ward Prince, erzählt: „Das überschwemmte Gebiet ist 
so etwas wie eine Neutralitätszone. So schlichen sich einmal ein paar Belgier auf der 
Suche nach Lebensmitteln bis zu einem augenscheinlich verlassenen Bauernhaus und 
spähten vorsichtig hinein. Sie guckten in den Hof — er war leer, Ställe, Scheunen — 
alles leer. So wagten sie sich denn in die Vordertür hinein, und sahen sich dort plötzlich 
zu ihrem größten Erstaunen sieben Deutschen gegenüber, die sich zu einem bescheidenen 
Essen um den Tisch des Hauses versammelt hatten. Die Belgier hatten keine Gewehre 
mit, nur einer von ihnen zog einen Revolver. Die Gewehre der deutschen Soldaten 
lehnten in einem Winkel, aber sie griffen gar nicht nach ihnen, sondern begrüßten die 
Belgier freundlich mit den Worten: „Tapfere Belgier", und die Belgier antworteten: 
„Tapfere Deutsche". Sie durften dann an dem Essen teilnehmen." 
Eine ähnliche Geschichte handelt von ein paar Kühen, die friedlich hinter den belgischen 
und den deutschen Schützengräben grasten. „Schießen die Deutschen denn die Kühe nicht 
tot?" fragte man die belgischen Soldaten. „Da werden sie sich schön hüten," war die 
Antwort. „Ihnen gehören die Kühe so gut wie uns; beide Teile melken sie des Nachts, und 
keiner denkt daran, Kühe zu schießen. Man muß doch etwas Milch zum Kafsee haben." 
Soldatentreue 
Der „Schwäbische Merkur" veröffentlicht folgenden Feldpostbrief eines Württem 
bergischen Artillerieoffiziers an seine Kinder: „Bei unserer Division war ein famoser 
bayerischer Jägerleutnant, ein tapferer schneidiger Kerl, der immer der erste war, Wenns 
an den Feind ging; er war jung und jugendsroh, sah aus wie Milch und Blut und hatte 
einen köstlichen echt bayerischen Humor, so daß wir ihn alle von Herzen lieb hatten. 
Gab es nachts einen schwierigen Auftrag oder tags eine Stellung beim Feinde zu er 
spähen, war mit sicherem Schuß auf große Entfernung eine Rothose zu treffen, so rief 
man ihn herbei und er kam nie zurück, ohne seinen Auftrag ausgeführt zu haben. Er 
hatte einen treuen anhänglichen Burschen, der hieß „Sepp" und tat alles, was er seinem 
Herrn an den Augen absehen konnte; beim Gefecht im dichtesten Kugelregen lag er neben 
ihm und lud seinem nie fehlenden Herrn das Gewehr. Dieser Sepp nun konnte ganz 
wunderschön Mundharmonika spielen, Volkslieder, Jodler, Tänze, was man nur wollte; 
wir freuten uns manche Stunde über seine fröhlichen Melodien. Der junge Leutnant 
sagte darum auch zu Sepp, als eines Tags eine Granate Kar nicht weit von beiden ein 
geschlagen hatte: „Sepp, Wenns mich amol trifft, dann tust du mir's Grablied blasen, du 
weißt schon wie; und meiner Mutter schickst dann die paar Erinnerungen, alles andre 
auch's Geld kannst du b'halten." Als Dritter im Bunde kam noch der treue Hund Caro 
dazu, der aber im Gefecht nicht dabei sein durfte, sondern tags über mit der Bagage 
marschieren mußte und dafür abends vor seines Herrn Türe schlief und der außer Sepp 
niemand hineinließ. Oft hatte er sich hinten bei den Fahrzeugen losgemacht und war, 
wenn auch der Oberst schimpfte, bis zur Schützenlinie vorgeschlichen, um an der Seite 
seines Herrn dessen Gefahren zu teilen. Eines schönen Tags — es war an der Yser 
— kam nun das Verhängnis; ein tödliches Geschoß traf unsern lieben jungen Leut 
nant mitten in die Stirne, daß er ohne sich zu regen auf der Stelle liegen blieb. Ein 
freundliches Lächeln verklärte seine Züge, wie wir es nie zuvor an einem Toten gesehen 
hatten! Unsere Trauer war groß, aber der Soldat hat nicht lange Zeit zum Weinen. So
	        
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