Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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zwischen 60 bis 100 Meter fort. Ein Jnfanteriegewehr in der Hand beteiligte sich der 
Batterieführer Hauptmann Heuß an dem wütenden Kampfe, und da inzwischen alle seine 
Kanoniere gefallen oder verwundet worden waren, sprang er selbst als Richtkanonier ein, 
lud und feuerte, bis die Bedienungsmannschaften des hinteren Geschützes eintrafen. 
Und wiederum ging es voran, zuerst bis zur Kreuzung zweier Straßen, deren Häuser, 
noch immer von englischer Infanterie besetzt, unter den Schüssen der Haubitzen krachend 
in sich zusammenstürzten. Dann wurde das Geschütz im Laufschritt weitere 300 Meter' 
vorgebracht bis zur letzten feindlichen Barrikade nahe dem Marktplatz von Messines. 
In mörderischstem Straßenkampf ist zunächst auch hier Haus für Haus der nächsten Um 
gebung niedergelegt und danach die links seitwärts zurückgehende feindliche Infanterie 
unter Feuer genommen worden. Da traf das Geschoß eines schweren englischen Schiffs 
geschützes die feuernde Haubitze und tötete den tapferen Hauptmann sowie drei seiner 
Kanoniere auf der Stelle; auch der wackere Oberleutnant Gundert wurde von diesem 
Geschoß so schwer verwundet, daß er kurz darauf verschied. Bis auf zwei Mann, die sich 
unmittelbar hinter dem Schilde aufgehalten hatten, waren alle Kanoniere gefallen oder 
verwundet. Um 11 Uhr 20 Minuten war dann Messines endgültig in deutschem Besitz. 
Hauptmann Heuß hatte das Geschütz in schwerstem Geschoßhagel bis zum letzten Atem 
zug bedient; er ist gefallen als ein Vorbild mannhaftester Tapferkeit und Pflichttreue. 
Die Eroberung von Messines, das Engländer und Franzosen mit allergrößter An 
strengung zu halten versucht hatten, ist vor allem dem heldenhaften Vorgehen dieser 
Württembergischen Artilleristen zu verdanken. Von allen, die Zeugen der Kämpfe waren, 
wurde später versichert, daß sie solche Kühnheit und Todesverachtung in allen voran 
gegangenen schweren Kämpfen noch nicht erlebt hätten." 
Der im „Stuttgarter Neuen Tagblatt" veröffentlichte Brief erzählt weiter: „Die Ort 
schaft war nun in unserem Besitz. Aber es galt sie zu halten. Schuß auf Schuß schoß die 
schwerste englische Artillerie in das Dorf; saß ein Volltreffer richtig in einem Haus, 
stürzte dieses in sich zusammen. Hinter jeder Mauer, die irgendwie Schutz bieten konnte, 
hockten wir dichtgedrängt zusammen; fortwährend zitterte der Boden unter unseren 
Füßen, krachten die Granaten mit ohrenbetäubendem Getöse, in der Ortschaft keinen 
Stein beinahe mehr auf dem andern lassend. Endlich, endlich kam die Nacht und damit 
die Ruhe, wenigstens vor der Artillerie. Wir hoben vor dem Dorfrand Schützengräben 
aus, holten aus den verlassenen Kellern einige Flaschen tadellosen Wein, einen Topf 
Butter, ebenso einen mit Eiern in die Gräben hinein und machten es uns bequem. Zu 
erst allerdings kümmerten wir uns den Teufel um das Essen und die Engländer mitsamt 
ihrer Artillerie, und schliefen, schliefen endlich nach vier Tagen einmal und zwar so 
gründlich, daß die Engländer, hätten sie noch genug Angriffsgeist besessen, uns aus 
unseren Gräben in die ihren hätten tragen können, ohne daß wir etwas bemerkt hätten. 
Dann aßen wir unseren Butter- und unseren Eiertopf aus trotz allen Artilleriefeuers. 
Die Nacht endlich brachte uns die ersehnte Ablösung." 
Die Hartnäckigkeit der Kämpfe in Flandern 
Die furchtbare Erbitterung und Zähigkeit, mit der der Krieg in Flandern geführt 
wird, gehen deutlich schon aus den Einzelschilderungen hervor. Mit packender Lebendig 
keit treten sie uns in einer Charakteristik der Kämpfe vor Augen, die der 
Korrespondent der „Daily News" in seinem Blatt gibt: „Werkzeuge des Todes fliegen in 
der Lust, schwimmen auf der See und fahren auf dem Lande, und dazwischen bewegen 
sich die winzigen Menschen herum; von vorne, von hinten, von rechts und links sausen 
die Kugeln; am furchtbarsten aber ist der Kampf um die Brücken: Donnerstag 
wurden die Deutschen über die Äser zurückgetrieben. Freitag hatten sie wieder festen
	        
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