Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

80 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
Der Beginn des Ringens in Flandern 
Der Vormarsch der Deutschen längs der Nordseeküstebedrohte vor allem die 
strategischen Interessen Englands: durch eine Eroberung von Dünkirchen, Calais und 
Boulogne wäre dem englischen Heer die direkte Verbindung mit der Heimat abgeschnitten 
worden. Joffre, der seine Strategie offenbar den Wünschen seiner englischen Verbün 
deten dienstbar machen mußte (vgl. II, S. 138), setzte alles daran, um diese Gefahr 
abzuwenden. Der Fall Antwerpens war aber viel schneller erfolgt, als es die französische 
Heeresleitung für möglich gehalten hatte: die zur „Befreiung* Belgiens und zum Ent 
satz der Festung unternommenen französischen Umgehungsversuche gegen den rechten deutschen 
Flügel hatten die Schlachtfront erst bis in die Gegend von Lille vorschieben können (vgl. 
II, S. 142), während weiter nördlich nur Kavallerie, Territorialtruppen und Marine 
soldaten standen. Zu diesen kamen nach dem Fall von Antwerpen die zusammenge 
schmolzenen Reste der belgischen Armee, die, von den Strapazen des Kampfes und langen 
Märschen erschöpft, — nur ein kleiner Teil war von Ostende zu Schiff nach Dünkirchen 
befördert worden (vgl. II, S. 174) — nur noch geringe Widerstandskraft besaßen. Das 
englische Heer, das seit Anfang Oktober von der Aisne gleichfalls nach Norden vorgeschoben 
wurde, war noch nicht vollständig zur Stelle, da die Transporte viel Zeit erforderten. 
Alle diese Kräfte genügten aber nicht, um ein Vordringen der Deutschen längs der Küste 
zu verhindern. Darum führte General Foch, dem Joffre den Oberbefehl über die Nord 
armeen übertragen hatte, ununterbrochen Verstärkungen heran. Drei Wochen dauerten die 
Transporte an, unablässig sausten Eisenbahnzüge und Kraftwagen hin und her. 
Zunächst fiel der belgischen Armee die Aufgabe zu, mit ihrer letzten Kraft, unter 
stützt von den französischen Territorial- und Marinetruppen und größeren englischen 
Abteilungen, die Iserlinie von Nieuport bis Dixmuiden zu halten, bis Ver 
stärkungen kämen; die französischen Marinesoldaten, die in Dixmuiden standen, deckten 
ihre rechte Flanke. Die Schlacht begann am 16. Oktober. Während des sich entspinnenden 
Kampfes um Nieuport erhielten die deutschen Truppen von englischen Kriegsschiffen 
Flankenfeuer. Sie mußten sich eingraben, vertrieben die feindlichen Schiffe aber mit 
Leichtigkeit durch ihre schwere Artillerie. Die Belgier wehrten sich mit dem Mut der 
Verzweiflung. Am 18. Oktober verloren sie Keyem und mußten sich am folgenden Tag 
auf die Eisenbahnlinie Nieuport—Dixmuiden zurückziehen, wo sie sich mit Mühe im 
wesentlichen behaupteten. Einige englische Abteilungen wurden ihnen zur Unterstützung 
gesandt. Feldmarschall French berichtet: „Am 19. Oktober wurde die Lage kritisch. Der 
Feind hatte an der Lys eine große Uebermacht stehen. Vier britische Armeekorps hielten 
eine Front besetzt, deren Ausdehnung größer als angesichts ihrer Stärke wünschenswert 
war. Außerdem kamen aus Osten größere deutsche Nachschübe an, und die Belgier 
befanden sich nach dem harten Kampf, den sie zu führen gehabt, nicht in einer Ver 
fassung, daß sie dem Anprall der Deutschen ohne Hilfe hätten Widerstand leisten können. 
Es lag daher auf der Hand, daß, wenn der deutschen Umgehungsbewegung kein nach 
drücklicher Widerstand geboten würde, der Flügel der Verbündeten eingeschlossen werde 
und die Häsen am Kanal für den Feind offen lagen. Der Feldmarschall war der Ansicht, 
daß eine erfolgreiche deutsche Bewegung dieser Art unheilvolle Folgen gehabt hätte, 
und deshalb unternahm er die Operation auf solch einer ausgedehnten Front auf seine 
Verantwortung. Er brachte das erste Armeekorps in den Raum nördlich von Ipern, 
während noch andere Truppenverschiebungen vorgenommen wurden, um die Pläne des 
Feindes zu vereiteln. Dabei bot das belgische Heer so viel Hilfe, wie es vermochte, indem 
es sich an dem Kanal von Ipern und an der User eingrub. Obwohl es sich in dem 
letzten Stadium der Erschöpfung befand, hielt es sich doch mutig in seinen Stellungen."
	        
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