Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Maßnahmen der Regierungen 
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die Angehörigen feindlicher Staaten besonders gegen die Engländer ver 
schärft, indem außer weiteren Internierungen auch verfügt wurde, daß englische 
Staatsangehörige ohne Unterschied des Alters und Geschlechts in der Zeit von 8 Uhr 
abends bis 6 Uhr früh die Wohnung nicht verlassen, öffentliche Lokale aber überhaupt 
nicht besuchen dürfen. Diese Verschärfungen bleiben solange aufrecht, als nicht die Ge 
wißheit besteht, daß auch den österreichisch-ungarischen Staatsangehörigen in England 
eine andere Behandlung zuteil wird. Die internierten Ausländer werden im übrigen 
überall gut behandelt, da in der Monarchie nicht der Ehrgeiz besteht, barbarische Sitten 
nachzuahmen. 
28. Dezember. 
Nach Beendigung der Musterung der in den Jahren 1878 bis einschließlich 1890 
geborenen Landsturmpflichtigen wird ein Teil der geeignet Befundenen, die 
Geburtsjahrgänge 1887, 1888, 1889 und 1890, zur Dienstleistung herangezogen. 
13. Januar 1915. 
Der Minister des k. u. k. Hauses und des Aeußern Graf Berchtold, der 
den Kaiser schon vor längerer Zeit gebeten hatte, ihn seines Amtes zu entheben, hat diese 
Bitte nunmehr erneuert. Der Kaiser hat die gewichtigen persönlichen Gründe, welche 
den Minister des Aeußern zu seinem Rücktritte bewogen haben, gewürdigt und der Bitte 
entsprochen unter vollster Anerkennung der Verdienste des Ministers und unter Ver 
leihung der Brillanten zum Großkreuz des Stephanordens. Als Nachfolger des Grafen 
Berchtold wird der königlich ungarische Minister am Allerhöchsten Hoflager Baron 
Stephan Burian zum Minister des k. u. k. Hauses und des Aeußern ernannt werden. 
Gleichzeitig wird Graf Tisza mit der provisorischen Führung des ungarischen Mini 
steriums am Allerhöchsten Hoflager betraut. 
Leopold Graf Berchtold, Freiherr von und zu Ungarschütz, wurde am 18. April 1863 in 
Wien geboren. Er begann seine Laufbahn bei der politischen Behörde in Brünn und wurde 
1893 zur Provisorischen Dienstleistung im Ministerium des Aeußern zugelassen. Noch in dem 
selben Jahre wurde Berchtold als Attache der Botschaft in Paris zugeteilt. Im Jahre 1895 er 
folgte seine Ernennung zum Legalionssekretär; 1899 erhielt Berchtold den Titel eines Legations 
rats und wurde als solcher der Botschaft in London provisorisch zugewiesen. Nachdem er 1903 
nach Petersburg versetzt worden war, ließ er sich 1905 zur Disposition stellen und widmete sich 
kurze Zeit der Bewirtschaftung seiner mährischen Güter. Im folgenden Jahre erhielt Berchtold 
Titel und Charakter eines außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers und 
wurde als Botschafter nach Petersburg entsandt, wo er im Sinne einer österreichisch-russischen 
Annäherung mit Erfolg tätig war und so der Annexion Bosniens und der Herzegowina durch 
Oesterreich-Ungarn vorarbeitete. Auf seinem Schlosse in Buchlau in Mähren machte Graf 
Aehrenthal im Jahre 1908 dem russischen Minister Jswolski die Mitteilung, von der bevor 
stehenden Annexion, die offiziell am 5. Oktober 1908 ausgesprochen wurde. Die russische Stellung 
nahme gegenüber diesem Schritte Oesterreich-Ungarns machte die Früchte der Arbeit Berchtolds, 
der beide Mächte näher zu führen versucht hatte, zunichte, hielt den Grafen aber nicht davon ab, 
auch nach seiner Abberufung aus Petersburg weiter im Sinne einer Annäherung an Rußland 
tätig zu sein. Am 17. Februar 1912 starb Graf Aehrenthal, wenige Stunden nachdem 
der Kaiser sein Rücktrittsgesuch genehmigt hatte. Wie allgemein erwartet, trat Berchtold als 
Minister des Auswärtigen an die Stelle des Verstorbenen. 
Stefan Burian, Freiherr v. Rajecz, entstammt einer Adelsfamilie im Preßburger Komitat, 
wo sein Vater eine Reihe von Jahren hindurch als Vizegespan tätig war. Er wurde am 
16. Januar 1851 geboren, vollendete seine Studien an der orientalischen Akademie und trat 
sodann in den diplomatischen Dienst. In den Jahren 1875 bis 1880 diente er bei den Konsulaten 
in Bukarest, Belgrad und Sofia. In den Jahren 1882 bis 1886 leitete er das Generalkonsulat 
in Moskau und wurde dann Generalkonsul in Sofia. In die Zeit seiner dortigen Amtswirksam 
keit fiel die Wahl des Fürsten Ferdinand von Bulgarien und die Mission des russischen Generals 
Kaulbars, besten Versuche, Bulgarien vollständig dem russischen Einflüsse zu unterwerfen, 
Burian zu durchkreuzen hatte. Von Sofia wurde Herr v. Burian in das Ministerium des 
Aeußern zur Dienstleistung einberufen und später zum Gesandten am Württembergischen Hofe
	        
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