Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

48 Die österreichisch-ungarische Monarchie während des ersten Kriegshalbjahres 
seinem hochgesinnten Kaiser an der Spitze (erneute stürmische Beifallskundgebungen, an denen 
sich alle Parteien des Hauses ohne Unterschied beteiligten) bewährt hat. Es kann auch 
nicht meine Aufgabe sein, im einzelnen die Waffenbrüderschaft zu würdigen, die mit der 
Osmanischen Nation zustande gekommen ist. Aber ich darf es wohl namens des ganzen 
Hauses aussprechen, daß wir von den aufrichtigsten und wärmsten Sympathien für diese 
Völker erfüllt sind, daß wir ihre Sache als die unsrige ansehen, ihren Triumph aus ganzer 
Seele herbeiwünschen und sie zu ihren gewaltigen Erfolgen aus tiefstem Herzensgrund 
beglückwünschen. (Stürmischer Beifall.) Ich beantrage daher, daß wir die herzlichen 
Gefühle, die uns für die mit uns Schulter an Schulter kämpfenden Nationen beseelen, 
im Protokoll zum Ausdruck bringen, und bitte um die Ermächtigung, dies in entsprechender 
Form an die zuständigen Stellen gelangen lassen zu dürfen." 
Bei Beginn der Sitzung vom 30. November wurden zunächst unter lebhaften Beifalls 
kundgebungen die Antworttelegramme des Kaisers Franz Josef, des Oberkommandanten 
Erzherzog Friedrich, des Reichstagspräsidenten Dr. Kämpf und des Präsidenten der 
türkischen Kammer, Halil, verlesen. 
Bei der Beratung des Berichtes über die Verwendung der Honveds und des Land 
sturmsjens eits der Land esgrenzen ergriff Ministerpräsident Graf Tisza das Wort und 
führte aus: Man kann jetzt auf Grund der Erfahrungen der letzten Monate sagen, daß 
der Krieg absolut unvermeidlich gewesen ist. Einzelne Staaten neideten Deutschland 
seine großartige wirtschaftliche Entwicklung. Andererseits wurde unsere Friedensliebe 
als Schwäche gedeutet und darauf zurückgeführt, daß die Monarchie unfähig und schwach 
sei, während tatsächlich unsere Politik von der Friedensliebe aller leitenden Faktoren der 
Monarchie, zumal des friedliebendsten unter allen Monarchen der Welt, diktiert worden 
ist. (Zustimmung.) Der Krieg ist heute mehr als jemals nicht bloß ein Ringen der 
Armeen, sondern der Völker und Nationen. In diesem Ringen haben die ungarischen 
Truppen und die ungarische Nation Außerordentliches geleistet, wie dies auch der Höchst 
kommandierende, Erzherzog Friedrich, ausdrücklich bezeugt hat. Er selbst könne auf 
Grund unmittelbarer Eindrücke (vgl. S. 19) sagen, daß auch die leitenden Faktoren der 
großen deutschen Nation von Anerkennung und Vertrauen für die ungarische Armee 
erfüllt seien. (Lebhafte Zustimmung.) Der jetzige Krieg ist der erste unter dem duali 
stischen Regime, das nunmehr die Feuerprobe bestanden und dadurch die Wahrheit erhärtet 
hat, daß nur eine solche Gestaltung der Monarchie imstande ist, die höchste Leistungsfähigkeit 
zu gewähren, die Ungarns berechtigten Selbständigkeitsbestrebungen Rechnung trägt und 
dennoch die Einheit der Anschauungen und Absichten verbürgt. Graf Tisza erklärte schließ 
lich, er glaube den Gefühlen aller Ausdruck zu geben, wenn er sage, das in Strömen ver 
gossene Blut werde für Ungarn Früchte tragen und der Kampf werde ohne Ermatten und 
ohne Kleinmütigkeit fortgesetzt werden müssen, bis die Bedingungen der künftigen Sicher 
heit der ungarischen Nation gesichert seien. 
Nach dem Ministerpräsidenten erklärte der Abg. Graf Michael Karo ly, daß er im 
Namen der Unabhängigkeitspartei dem Bericht der Regierung zustimme. Im gleichen 
Sinne äußerten sich Graf Julius Andrassy namens der Verfaffungspartei und der 
Abgeordnete Simonyi Semadan namens der Volkspartei. Hierauf wurde auch die 
Vorlage betreffend eine der Kriegshilfe gewidmete Sondersteuer von Einkommen 
über 20 000 Kronen angenommen. 
Am 9. Dezember wurden Magnatenhaus und Abgeordnetenhaus, die inzwischen alle 
zur Verhandlung stehenden Entwürfe erledigt hatten, durchKgl. Erlaßvertagt. Der 
Vizepräsident des Abgeordnetenhauses v. Szasz führte in seiner Schlußrede aus, er 
blicke mit Stolz und Genugtuung auf die verflossene Tagung zurück, die durch patrio 
tische Einsicht und einheitliche Auffassung gekennzeichnet sei und einen Triumph des
	        
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