Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

138 Die Entwicklung der Schlachtlinie im Westen bis zum Kanal 
Kein Mensch wird aus diesen Worten auf die Engländer als die Urheber des Plans 
schließen, und doch hatte dies Manöver, wie überhaupt die ganze französische Offensive, 
höchstwahrscheinlich ein stark politisches Vorspiel, dessen Hauptakteure in London 
saßen. Die „Münchner Post'" erfährt darüber aus gutunterrichteter Quelle folgendes: 
„Die englischen und französischen Interessen hatten ein einheitliches Ziel in der Zeit, 
als es für die Verbündeten galt, Belgien zu verteidigen. Die Besetzung Antwerpens 
durch deutsche Truppen zu verhindern und sich damit die Küste freizuhalten, war für Eng 
land ebenso wichtig, wie es für die französische Offensive erforderlich gewesen wäre, an 
Antwerpen vorbei über Belgien in Deutschland einzufallen. Von dem Augenblick an, in 
dem die französischen Heere vor dem deutschen Angriff in ihr eigenes Land zurückweichen 
mußten, begann der innere Konflikt der englischen und der französischen militärischen 
Interessen. Der französische Rückmarsch schwächte mit jedem weiteren Schritt die 
Deckung Antwerpens, zum großen Verdruß der Engländer, die auf den Schutz des in 
erster Linie für sie wichtigen Platzes den höchsten Wert legten. Der Rückzug der Fran 
zosen erfolgte nach rein französischen Gesichtspunkten, militärisch einwandfrei, vollkommen 
gedeckt zwischen den großen festen Plätzen Verdun und Paris mit dem Plan, auf der 
Linie Dijon—Revers sich dem deutschen Angriff entgegenzustellen. Widerwillig folgten 
die Engländer ihrem französischen Verbündeten, der sie im wohlverstandenen eigenen 
Interesse von ihrer Absicht der Sicherung Antwerpens je mehr abzog, je weiter sie nach 
Süden rückten. Es gab Reibungen im vereinigten Generalstab, die damit endigten, daß 
die Oberleitung des französischen Heeres sich der englischen Politik beugen und Joffre 
seinen zweifellos guten Plan aufgeben mußte. Die französische Feldarmee machte kehrt 
und die Schlacht an der Marne begann. Die deutschen Heere aber ließen es nicht zu 
einer militärischen Entscheidung kommen; sie gingen hinter der Aisne in eine uneinnehm 
bare Stellung zurück. Das französische Heer war dadurch völlig das Objekt des eng 
lischen Planes geworden, der bezweckte, durch Zurückwerfen der Deutschen aus Belgien 
die Belagerung von Antwerpen zu verhindern. Mit immer neuen Militärmasfen wurde 
versucht den deutschen rechten Flügel zu umfassen, um das Schicksal Antwerpens dem 
englischen Sonderinteresse zulieb aus Kosten Frankreichs abzuwenden. Die deutsche Heeres 
leitung vereitelte dieses englische Spiel, indem sie die Schlacht an der Aisne zu einem 
gewaltigen Deckungskampf gestaltete, unter dessen Schutz sie den Angriff auf Antwerpen 
beschleunigte und verstärkte." 
Um Paris herum und aus Paris sandte Joffre seine Truppen nordwärts. Bei 
Roy on versuchten sie zunächst die Deutschen zu fassen und ihnen in den Rücken zu kommen. 
Der Angriff prallte ab. Aber die Franzosen gaben ihre Bemühungen nicht auf; fast täg 
lich unternahmen sie neue Umklammerungsversuche, durch die sich die Schlacht 
linie, da die Deutschen auswichen, immer mehr nach Norden in die Länge zog. 
Der Pariser Korrespondent der „Daily Mail" berichtet von mörderischen Artillerie- 
kämpfen in den Tagen vom 26. bis 29. September. „Die Umgehungsversuche und das 
Heranziehen immer neuer Verstärkungen hatten lange Gewaltmärsche erfordert. Die 
französischen Truppen mußten mehrere Tage hintereinander vierzig Kilometer täglich 
marschieren. Trotz bedeutender Verluste gelang es den Deutschen aber, den Umgehungs 
versuch zu verhindern und die gleiche Front wie die Verbündeten zu halten. Am 
26. September gingen die Deutschen zur Offensive über, um die französische Front keil 
artig zu durchbohren. Die Spitze des Keils war die Stadt Albert. Die Deutschen 
richteten ununterbrochen, den ganzen Tag und die ganze Nacht, ein furchtbares Artillerie 
feuer auf die Franzosen, deren Reihen durch die deutschen Granaten stark litten, so daß 
der Versuch der Deutschen fast gelungen wäre. Am 27. September begannen die Deut 
schen zusehends an Boden zu gewinnen und am folgenden Tag rückten sie noch weiter
	        
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