Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der Krieg im fernen Osten 
Japan und der Krieg 
Die Teilnahme Japans am Weltkrieg 
Die Stimmung für die Beteiligung am Krieg mußte in Japan erst künstlich 
„gemacht" werden. Der Korrespondent des „Berliner Tageblatts" schreibt aus Ioko- 
hama: „Man macht sich in der Heimat keine Vorstellung, mit welchen Mitteln die 
Engländer am Werke sind, durch einen Regen erlogener und gefälschter Depeschen in 
den zum Teil von Engländern geleiteten japanischen Zeitungen die öffentliche Meinung 
Japans gefangen zu nehmen. Es ist unmöglich, all diese Kriegsberichte, die den Stempel 
der tendenziösen Mache an der Stirn tragen, wiederzugeben oder auch nur aufzuzählen. 
Aber sie haben — leider — ihre Wirkung getan. Denn die Japaner dachten anfänglich 
an nichts anderes, als daran, neutral zu bleiben. Nachdem genügend Propaganda gegen 
Deutschland gemacht war und England, das lange mit der Regierung in Tokio ver 
handelte und feilschte, das verlangte Hundertmillionengeschenk bewilligt hatte, folgten 
das Ultimatum und die Kriegserklärung ziemlich rasch." 
Was es mit dem „Hundertmillionengeschenk" Englands auf sich hatte, 
erklärt ein anderer Bericht desselben Korrespondenten: „Zu einem großen Kriege fehlte 
das Geld. Die japanischen Finanzen waren außerordentlich schwach. Japan, das keine 
Staatsanleihen im Ausland mehr erhält, hilft sich schon seit längeren Jahren mit ver 
steckten Staatsanleihen für halbstaatliche Gesellschaften, wie die Südmandschurische Eisen 
bahn, die Orientalische (Koreanische) Kolonisationsgesellschaft, die Jndustriebank. Nun 
wollte Japan kürzlich wieder 126 Millionen Pen Anleihen nach Art der genannten 
machen, um die staatliche Goldreserve vor dem Austrocknen zu bewahren, fand aber 
keinen Darleiher, bis England sich jetzt, nach Ausbruch des Krieges, zum Geldgeben 
bereit erklärte. Es forderte, wie man annehmen darf, die Kriegserklärung Japans an 
Deutschland. Japan antwortete, daß es ohne Geld keinen Krieg führen könne. England 
erklärte sich bereit, die gewünschten Anleihen in Höhe von 126 Millionen zu gewähren. 
Japan aber verlangte ein Geldgeschenk von 170 Millionen Jen. Und England hat 
schließlich ein Geldgeschenk von 100 Millionen Jen oder mehr bewilligt." Mit einem 
geradezu haarsträubenden Zynismus schrieb die Zeitung „Niroku" in Tokio am 12. August: 
„Zwischen Japan und England ist eine Erweiterung des Bündnisses vereinbart worden, 
wodurch dem politischen ein finanzielles Bündnis hinzugefügt worden ist. Der Finanz 
minister, der im Rat des Kabinetts und der Aeltern Staatsmänner bei den Reden der 
Minister des Aeußern, des Kriegs und der Marine ein langes Gesicht gemacht hatte, 
wurde plötzlich munter, als das zwischen Baron Kato und dem englischen Botschafter 
Greene vereinbarte Finanzbündnis zum Vorschein kam." 
Die Geldklemme, in der sich Japan befand, ist aber doch keine hinreichende Erklärung 
für seine Beteiligung am Krieg. Diese ist nur verständlich, wenn man weiß, wie sehr 
die gegenwärtigen leitenden Staatsmänner Japans im Schlepptau der englischen 
Politik segeln. Das wahre Interesse Japans hätte strenge Neutralität 
gegenüber Deutschland erfordert. Der Korrespondent des „Berliner Tageblatts" sagt 
sehr richtig: „Japan hatte keine Ursache aus seiner Neutralität gegenüber Deutschland 
herauszutreten, vielmehr alle Ursache, sie strikte innezuhalten. Denn der europäische Krieg 
wird schwerlich unentschieden enden, sondern eine Mächtegruppe in die Führerstellung 
bringen. Entweder England oder Deutschland wird nach dem Kriege vermutlich die
	        
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