Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Die Russen in den Karpathen und in der Bukowina 289 
philen Elemente der ruthenischen und rumänischen Bevölkerung eingebrochen und geplün 
dert. In der Synagoge wurden die Kosakenpferde aufgestellt und in geraubtem Bett 
zeug gebettet... 
Mit besonderem Interesse erkundigten sich die Russen nach dem Aufenthaltsort des 
Oberstaatsanwaltssubstituten Dr. Andor Jlläs. Die Russen wissen überhaupt genau, mit 
wem sie es zu tun haben in den Gebieten, die sie besuchen. So haben sie z. B. in der 
Bukowina die Verwaltung der Stadt Czernowitz einigen Herren übergeben, die schon in 
Friedenszeiten ihre Agenten waren, den Brüdern Gerowski. Ihren Feinden aber, d. h. 
denjenigen, die der großrussischen Propaganda in der Monarchie entgegengetreten waren, 
halten die Russen auch Stellen bereit, und zwar in den Gefängniskellern von Nowgorod 
und noch östlicher. Dr. Andor Jllss aber hatte es vorgezogen, sich rechtzeitig aus Mar- 
maros-Sziget zu entfernen. Als aber die Russen nach einer Woche sich zurückziehen 
mußten, war er der erste Zivilbeamte, der nebst dem Obergespan sich wieder auf seinen 
Posten begab. 
Jllos' Name ist mit dem berüchtigten Schismaprozeß, der sich vor einem Jahre in 
Marmaros-Sziget abspielte, eng verbunden. Er war es, der allen diesen geheimen 
Fäden der russophilen Propaganda nachspürte und die Schuldigen stellte. Hätte der 
Prozeß jetzt stattgefunden, wäre das Resultat ein anderes geworden und Graf Bob- 
rinski, der damals mit sicherem Geleit nach Marmaros-Sziget gekommen war, um seine 
Jünger im Namen des Zaren zu verteidigen, wäre, falls er sich jetzt eingefunden hätte, 
nicht zurückgekehrt, um Gouverneur der Bukowina zu werden." 
Die Russen gebärdeten sich in Marmaros-Sziget sehr siegesgewiß und übermütig. Der 
stellvertretende Bürgermeister, der Gymnasiallehrer v. Dobay, erzählt: „Die russischen 
Ossiziere veranstalteten am ersten Tage ihres Aufenthalts ein Festmahl. Ich mußte teil 
nehmen. Ich fragte, was der eigentliche Zweck der ins Land eingedrungenen Truppen 
fei. Ter General lachte und wandte sich dann an einen in der Nähe sitzenden Offizier 
mit der Frage: „Leutnant Dimitri, was ist unser Ziel?" Der Offizier sprang auf, 
schlug die Hacken zusammen und antwortete: „Budapest!" „Leutnant Dimitri, wieviel 
Stationen haben wir bis Budapest?" fragte der General weiter. Die Antwort lautete: 
„Drei: Szatmar, Debrezin und Budapest." „Wann werden wir in Budapest sein?" 
fragte schließlich der General. „In einer Woche", antwortete der Offizier. Alle Offi 
ziere lachten, unsere erschrockenen Gesichter belustigten sie." 
Am 6. Oktober, nach dem Sieg der österreichisch-ungarischen Truppen bei Hosszumezö, 
wurde Marmaros-Sziget frei. Nun wurde der Kampfplatz mehr nach Nordosten 
verlegt. Tie Russen hofften, bei Körosmezö wieder vordringen zu können und ergriffen 
dort die Offensive, wurden aber immer wieder zurückgeschlagen. Panikartig flohen sie am 
19. Oktober aus Körösmezö. Am 21. konnte, nach der Eroberung des Jablonica- 
passes, amtlich festgestellt werden, daß kein Feind mehr auf ungarischem Boden stehe. 
Bei der Befreiung des Marmaroser Komitats hat sich der Landsturm ausgezeichnet 
bewährt; nicht zu vergessen sind auch die polnischen Legionäre, die bei Marmaros-Sziget 
heldenmütig mitgefochten haben. 
Die Russen in der Bukowina 
Anfang September bereits, als die Oeflerreicher ihre gesamte Macht um Lemberg 
zusammenzogen, wurde Czernowitz von den Russen besetzt. Wie sie sich dort einführten, 
schildert die „Neue Freie Presse": „Um 9 Uhr abends erschienen zwei Generale und 
mehrere Offiziere und begaben sich zum Rathaus, wo sie vom Bürgermeister Dr. Weissel- 
berger und der Geistlichkeit erwartet wurden. Einer von ihnen war der Kosakengenerak 
Ariutinow und der andere war General Pawlow, Kommandant des Infanterieregiments
	        
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