Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der west- und mittelgalizische Kriegsschauplatz 227 
Ernste Gefahr drohte an der Süd front, wo die Russen gegen ein einziges Fort, das 
schwächste dieses Abschnittes, elf Bataillone ansetzten, von denen sich schließlich etwa 200 
Mann einzeln kriechend ungesehen bis zur Kehle schlichen und plötzlich oben auf dem 
äußeren Wall auftauchten. Nun entspann sich ein wütender Kampf, von dem Roda 
Roda, der Kriegskorrespondent der „Neuen Freien Presse" folgende packende Schilderung 
gibt: „Durch die Kämpfe am vorhergegangenen Tage, durch Verluste während der Be 
schießung war die Mannschaft aus dem Wall schon geschwächt. Oberleutnant Svrljuga 
schickte auch noch die Leute der Beleuchtungsabteilung an die Brustwehr, an die Sand 
säcke. Die Russen, von den Maschinengewehren der Grabenbestreichung dezimiert und 
vertrieben, lagen auf dem Glacis, den Unseren dreißig Schritt gegenüber, und schossen. 
Ueber sie hinweg prasselten immer noch die Schrapnells der russischen Artillerie. Sie 
feuerte ohne Rücksicht darauf, ob sie Freund oder Feind traf. Da erkletterten die Russen 
die Brustwehr und waren auf dem Jnfanteriewall, im nächsten Augenblick auf dem Dach 
des Werkes. Die eigenen Schützen waren zurück ins Innere geflüchtet, in die Poternen 
und Bereitschaftsräume. Die eisernen Tore schlossen sich, der nächtliche Kampf dauerte 
fort. Er hat dreieinhalb Stunden gedauert. An dieser eisernen Tür standen hinter den 
Schießscharten zwei Landstürmer gegen dreißig Russen. Die Tür wurde von den Russen 
gesprengt und eingerannt, die Landstürmer sprangen ins Mannschaftszimmer und feuerten 
durch das vergitterte Fensterchen, hinter Sandsäcken hervor. Die Feinde stachen mit den 
Bajonetten in die Lücken zwischen die Säcke. Hinten im Mannschaftszimmer lud man 
unaufhörlich Gewehre und reichte sie den beiden wackeren Schützen ans Gitterfenster zu. 
Das Mannlichergeschoß hat auf solche Distanz Explosivwirkung; halbe Schädel flogen 
im Mittelgang vor dem Gitterfenster umher; das Blut rauchte. Noch heute, eine Woche 
säst nach dem fürchterlichen Abenteuer, trotz allem Fegen und Waschen, kommt ein auf 
dringlicher Verwesungsgeruch aus dem zerschrammten Mauerwerk; der einzelne Ziegel 
stein ist von Stichen, von Geschossen durchbohrt und geschunden, sogar die Gitterstäbe 
— Narben eines Nahkampfes, wie er wohl selten in der Geschichte vorkam. Am an 
deren Tor stand der Osfiziersdiener Franz Suchy, ein Reservist, Dachdecker aus Wien. 
Er allein verteidigte die Scharte, er allein hat fünfundzwanzig Russen tot und fünfund 
zwanzig verwundet vor seine Tür hingestreckt. Vergebens suchten die Russen, die Tür 
zu verrammeln, die Ritzen zu verkeilen; Suchy schoß alle, die nahten, nieder. Stolz und 
lebhaft zeigt er mir, wie er einen Rotblonden in die Schläfe traf, der links vom Wall 
eines unserer Maschinengewehre herangeschleppt hatte, um es auf die Besatzung der Kehle 
spielen zu lassen. Es war zufällig ein russisches Maschinengewehr, von den Unseren in 
der Schlacht bei Grodek erobert und hier eingebaut." Hilfe zu bringen war zunächst 
nicht möglich, weil die Russen das Gelände hinter dem Werk mit Schrapnells über 
schütteten. Dreieinhalb Stunden blieb das Werk eingeschlossen. Endlich drang eine 
Honvedabteilung über die Schrapnellzone und feuerte die Kehlböschung hinauf. Sofort 
hoben 150 Russen die Hände hoch, ebenfomele lagen tot oder schwer verwundet umher. 
Weitere 140 Leichen lagen im Graben. Später kam ein ganzes Honvedregiment, das 
in dem befreiten Werk zwei Kompagnien als Verstärkung zurückließ. 
Am stärksten ist ein Fort der Nord front mitgenommen worden; v. Reden berichtet 
darüber: „Es waren etwa 250 Treffer darin erzielt. Merkwürdigerweise war aber die 
Wirkung verhältnismäßig gering, trotz der schweren Kaliber; zwei auf offenem Wall stehende 
leichte Geschütze waren demontiert, die Erde wac vielfach durch tiefe Trichterbildungen 
aufgewühlt, Betonbauten und Panzerkuppeln blieben völlig intakt, so daß die Kampf 
fähigkeit des Werkes nicht gelitten hatte. Ich sah dort einen sehr merkwürdigen Zufalls 
treffer: Eine Granate war direkt in eine Scharte eingedrungen und hatte einen Mann 
getötet. Dies der einzige Tote in jenem Werk überhaupt, sonst waren nur einige Dutzend
	        
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