Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

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B i s zum Ausbruch des Kriegs 
uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu wahren, auf den Gott uns gestellt hat! 
— In aufgedrungener Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir 
das Schwert, fest und treu, ernst, ritterlich, demütig vor Gott und kampfesfroh vor den 
Feinden!" Das ist Preußenstil. Jeder Satz hebt die Stimmung. Heute reißt der Kaiser 
den Reichstag hin. Und mit einem Male legt er das Blatt fort, rückwärts auf den 
Thron, und redet frei: 
„Sie haben gelesen, meine Herren, was ich zu meinem Volke 
vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich wiederhole, ich 
kenne keine Partei mehr, ich kenne nur Deutsche (Stürmisches Bravo!), 
und zum Zeugen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne Par 
teiunterschiede, ohne Standes- und Konfessionsunterschiede 
zusammenzuhalten, mit mir durch dick und dünn, durch Not und 
Tod zu gehen, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzu 
treten und mir dies in die Hand zu geloben." 
Diese Worte rissen die ergrauten Männer hin. Die Hurras und Hochs endeten nicht. 
Das Zeremonielle war vergessen, man war nicht mehr im Weißen Saal, und während 
die Führer aller Parteien, mit Ausnahme der nicht anwesenden Sozialdemokraten, vor 
traten und ohne tiefe Hofverbeugung dem Kaiser die Hand reichten, war mit einem 
Male das Symbol für den hohen Sinn dieser Stunde gefunden. <B«ri. Tagevr.) 
Die erste Sitzung des Reichstags 
(Stenographischer Bericht) 
Um 3 Uhr mittags trat der Reichstag zu seiner außerordentlichen Tagung zu 
sammen. Schon vor Beginn der Sitzung waren Haus und Tribünen überfüllt. 
An den Tischen des Bundesrats waren alle Staatssekretäre, die meisten preußischen 
Minister und die Vertreter der anderen Bundesstaaten erschienen, so die Staatssekretäre 
v. Jagow, v. Tirpitz, Delbrück, Dr. Lisco, Kühn, Kraetke, Dr. Sols, ferner die preu 
ßischen Minister v. Falkenhayn, Dr. Lentze, v. Trott zu Solz, Beseler, Shdow, v. Schor- 
lemer, v. Breitenbach, v. Loebell, die Vertreter sämtlicher Bundesstaaten, der Reichs 
bankpräsident Havenstein, der Staatssekretär Wahnschaffe und zahlreiche Kommissare. 
Um 3'/« Uhr erschien der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg im Saale. 
Der Präsident der ersten Tagung Dr. Kaempf eröffnet darauf sofort die Sitzung 
und beruft zu vorläufigen Schriftführern die Abgeordneten Fischer-Berlin (Soz.), 
Engelen (Ztr.), Baerwinkel (Ntl.) und Rogalla von Bieberstein (Kons.). Nach der 
Geschäftsordnung ist der Reichstag durch das Los in sieben Abteilungen zu teilen. 
Auf Antrag des Abg. Bassermann (Ntl.) wird von dieser Verlosung der Abteilungen 
Abstand genommen. (Beifall.) 
Präsident Dr. Kaempf: Wir würden nunmehr den Namensaufruf vorzunehmen haben. 
Abg. Dr. Spahn (Ztr.): Ein Blick auf das Haus zeigt, daß es beschlußfähig ist. Unter 
diesen Umständen beantrage ich, auch davon Abstand zu nehmen. 
Das Haus stimmt mit Beifall zu. 
Präsident Dr. Kaempf: Ich schlage vor, von der Wahl der Fachkommissionen eben 
falls vorläufig Abstand zu nehmen. Auch damit ist das Haus einverstanden. 
Abg. Graf Westarp (Kons.): Ich beantrage nun Wiederwahl des Prä 
sidiums und die Wahl des Vorstandes sofort vorzunehmen und zum Präsidenten, 
zu Vizepräsidenten und Schriftführern diejenigen Herren wiederzuwählen, die diese 
Aemter am Schluß der vorigen Session bekleidet haben. (Lebhafter Beifall.) 
Präsident Dr. Kaempf stellt fest, daß Widerspruch gegen die sofortige Wahl und gegen
	        
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