Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

Der belgische Franctireurkrieg 
217 
sind, ermöglicht es sogar, daß kein Einwohner gezwungen sein wird, seine Geschäfte zu 
vernachlässigen oder seinen Herd zu verlassen. Andererseits werde ich die strengsten Maß 
nahmen treffen, sobald die genannten Bedingungen nicht erfüllt werden. In dieser Hin 
sicht werde ich mich in erster Linie an die Geiseln halten. Außerdem wird jeder Ein 
wohner erschossen, der mit Waffen in der Hand oder bei irgendeiner unseren Truppen 
feindlichen Handlung betroffen wird. Schließlich ist die ganze Stadt verantwortlich für 
die Handlungen jedes einzelnen ihrer Einwohner; sie wird daher gut tun, eine gegen 
seitige Aufsicht zu üben, um die Einwohner vor den unangenehmen Folgen zu bewahren, 
die ein Zusammenwirken mit dem Feind nach sich ziehen muß." 
Die Franctireurkämpfe auf der südlichen Operationslinie 
Obgleich die belgische Bevölkerung überall gewarnt und aus die Folgen aufmerksam 
gemacht worden ist, hat doch der Franctireurkrieg nach der Einnahme von Lüttich 
nicht nachgelassen. Mit den haarsträubenden Einzelberichten, die tagtäglich durch die 
Preffe gegangen sind, könnte man Bände füllen. Hier sollen nur die Fälle erwähnt 
werden, denen eine gewisse geschichtliche, Bedeutung zukommt. 
In Lüttich selbst kam es immer wieder zu Straßenkämpfen. Ein deutscher Feld 
geistlicher berichtet: „Die Bürger selbst mögen den ernsten Willen zur Ruhe haben, aber 
der Mob — man sagt, es seien russische Studenten darunter — regt sich immer wieder. 
Zum Teil mögen es auch die aus den verbrannten Dörfern hierher geflüchteten „Tapferen" 
fein, die sich nicht scheuen, mit Bleiposten und Schrot aus dem Hinterhalte auf unsere 
Soldaten zu feuern. Das läßt sich aus dem Befunde vieler Verwundungen und der 
Geschosse nicht ableugnen, wenn auch durch die begreifliche Nervosität unserer Leute zu 
weilen zu viel geschossen werden mag. So wurden vor einigen Nächten von dem Ge 
sindel eine oder auch mehrere von uns besetzte Maasbrücken angegriffen. Es mag 
101/2 Uhr abends gewesen sein. Als nun von den in der Universität einquartierten 
Kompagnien Unterstützung geholt werden sollte, wurde aus das Hauptportal, aus dem 
sie heraustreten mußten, ein wahrer Feuerüberfall aus den gegenüberliegenden Häusern 
eingeleitet. Daß das nicht, wie viele behaupteten, aus versehentlich abgefeuerten deutschen 
Gewehren kam, ist einwandfrei festgestellt worden. Leider geschah das wohl in dem 
sich nun entspinnenden mörderischen Straßenkampf. ■ Von den feindlichen Schützen war 
natürlich nichts zu sehen, einen offenen Kampf wagen sie nicht. Aber ihr Lohn blieb 
nicht aus, die verdächtigen Häuser wurden gestürmt und in Brand gelegt, so gründlich, 
daß die nach einer halben Stunde herbeigerufene Feuerwehr nichts mehr retten konnte. 
Außerdem wurden 15 Belgier standrechtlich erschossen. Es war ein schauerliches Bild, 
das ich mein Leben lang nicht vergessen werde: im Hintergründe die lichterloh brennen 
den Häuser, davor die Leichen mit fast zerschossenen Köpfen. Man mag dies Vorgehen 
grausam nennen, aber es ist die einzige Möglichkeit, um über den Mob Herr zu werden 
und zu bleiben." 
Zwischen Lüttich und Namur ist die Stadt Andenne stark mitgenommen. Die 
deutschen Truppen hatten hier mehrere Tage lang friedlich gelagert. Beim Ausmarsch, als 
gerade die letzten Munitions- und Proviantkolonnen die Maasbrücke passierten, 
empfingen sie von allen Seiten her aus den Häusern diesseits und jenseits der Maas 
ein mörderisches Feuer. Die ganze Division kehrte um; es entspann sich ein furcht 
barer Straßenkampf, dem die Zerstörung eines großen Teiles des Ortes folgte. Ein 
Teilnehmer dieses Kampfes gibt davon in der „Frankfurter Zeitung" eine packende 
Schilderung. Als er mit seinem Truppenteil am 20. August abends in die Nähe von 
Andenne kam, hörte er heftiges Gewehrfeuer, das etwa eine Stunde dauerte und von 
dem Donner einiger Kanonenschüsse begleitet war. Die in Andenne lagernden Truppen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.