Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

212 Die Besetzung Belgiens bis zur Einschließung von Antwerpen 
Truppen entgegen gegangen und ließ bei ihrer Ankunft die weiße Flagge hochziehen. 
Der kommandierende deutsche Offizier trat vor, unterhielt fich einige Augenblicke höflich 
mit dem Bürgermeister und gab die bestimmte Versicherung ab, daß der Stadt keinerlei 
Leids geschehe, solange sie sich still halte und von jeder Feindseligkeit absehe. Hieraus 
fuhren Offiziere in Kraftwagen nach dem bekannten großen Marktplatz, um im Rathaus 
geschäftliche Dinge mit den Behörden zu ordnen. Nach kurzer Orientierung ritten Pa 
trouillen in verschiedenen Richtungen ab, um die Bahnhöfe, die Banken, die Post, die 
Börse, den großen Markt und andere Punkte zu besetzen. Das ging alles so ruhig zu, 
wie im Manöver. 
Der Vertreter der „Daily News" berichtet seinem Blatt: „Die Stadt ist beim Ein 
zug völlig ruhig geblieben. Es hat keine Kundgebung stattgefunden. Es ist kein Schuß 
gelöst worden. Der Telegraph ist natürlich für den Privatverkehr gesperrt. In Brüssel 
erscheint keine Zeitung mehr." 
Nach dem Einzug der deutschen Truppen war Brüssel wie ausgestorben; die sonst 
gedrängt volle Geschäftsader, der Boulevard Anspach, lag still wie ein Friedhof. Große 
Angst herrschte, daß für die Zerstörung einiger deutscher Restaurants und Geschäfts 
häuser Vergeltung geübt würde. Die Barrikaden, die von der Bürgergarde in den 
letzten Tagen erstellt worden waren, und die Stacheldrahtsperren wurden von den Bürgern 
in aller Eile entfernt. Ein Holländer schreibt: „Nun herrscht in Brüssel Ruhe und 
Friede unter deutscher Fahne, wenn das Volk es nur so will und die dringenden Mah 
nungen seiner Behörden befolgt. Wie wird man sich wundern über die gute Zucht, die 
der gefürchtete Feind zu halten weiß! Da muß es bald einen Rückschlag in günstigem 
Sinne geben. Diejenigen aber, die das belgische Volk so lange und so grob getäuscht 
haben, müßten zur Verantwortung gezogen werden." 
In Paris hat die Nachricht von der Besetzung Brüssels durch die Deutschen sehr 
niederschmetternd gewirkt; sogar eine amtliche Beileidskundgebung wurde erlassen. „Die 
französische Regierung," heißt es darin, „legt Wert daraus, zu versichern, daß die Leiden 
Belgiens von Frankreich mitempfunden werden. Seit das belgische Gebiet durch die 
deutschen Soldaten verletzt worden und belgisches Blut geflossen ist, um den deutschen 
Durchzug zu verhindern, sind die beiden Nationen untrennbar verbunden und fortan 
zusammen Eins geworden. Frankreich ist entschlossen, alles zu tun, um das Gebiet seines 
Bundesgenossen frei zu machen, und es erachtet seine Aufgabe erst dann vollkommen ge 
löst, wenn kein deutscher Soldat mehr auf belgischem Boden geblieben ist." 
Einen interessanten Beitrag zur Psychologie des Belgiers, besonders des Brüsselers, 
liefert ein Vorkommnis, das zugleich zeigt, wie rasch sich Brüssel von seinem Schrecken 
erholt hat. Ein Holländer beschreibt sehr anschaulich eine Pilgerfahrt der Brüs 
seler nach dem zerstörten Löwen. „Nun wahrhaftig, die Belgier bleiben sich, 
unter allen Umständen gleich. Heute bin ich wieder nach Brüssel gekommen, und zwar 
von Lüttich über Hannut, Tirlemont und Löwen; ich bin abermals durch das düstere 
verheerte Löwen gezogen, an den Schutthaufen vorbei und darüber hinweg, doch es war 
keine tote Stadt mehr, es war wirklich fröhlich und gemütlich darin, mitten in dem 
Elend der ausgebrannten Stadt; denn die Brüsseler waren erschienen, xour voir un peu, 
auf Fahrrädern, in offenen Kutschen und Jagdwägelchen, auch zu Fuß; und in dichten 
Scharen wanderten sie daher, ein Butterbrot und eine Flasche oder sonst was zur Hand, 
und auf den Schutthaufen von Löwen wurde ein Picknick veranstaltet. 0'est un psu 
degoutant tout de meme ... Auf dem ganzen Wege zwischen Tervueren und Löwen 
sah es aus wie bei uns zu Pfingsten auf dem Wege von Amsterdam nach Diemerbrug. 
In Tervueren angelangt, befand ich mich vor einem annehmbaren Kaffeehause, gerade 
gegenüber dem Kongomuseum, über dem die deutsche Fahne wehte, und da war es so
	        
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