Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

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Während des Aufmarschs 
beeinträchtigt durch den Krieg Italiens gegen die Türkei, den der Kaiser im Interesse 
seines italienischen Bundesgenossen nicht hinderte. Die jetzige Kriegslage drängt die 
Türken an die Seite Deutschlands. Wenn wir im Orient einigen Einfluß besessen haben, 
so ist dieser jetzt vernichtet, und das beeinflußt auch unsere Herrschaft über viele, 
viele Millwnen Mohammedaner, die sich alle wie ein vernichtender Orkan er 
heben werden, wenn der Sultan die Kalifen-Flagge entfaltet und alle Moslems zum 
heiligen Krieg ruft, denn Konstantinopel ist ein Heiligtum der Mohammedaner — hier 
thront der Nachfolger Mohammeds. 250 Millwnen Mohammedaner zittern für deutsche 
Siege und werden ihre Ketten wie Kinderspielzeug abschütteln, wenn Deutschland siegt. 
In englischen Besitzungen wohnen über 100 Millionen Mohammedaner. Die Fahne 
Mohammeds wird vorangetragen werden, wenn die Flammen des Aufruhrs in Indien 
hochschlagen. Man wird den heiligen Teppich aus der Kaaba holen, und ihn vorantragen, 
wenn ein zweiter Mahdi ersteht und über die Leichen der in Karthum stehenden eng 
lischen Truppen die Idee der Erweckung des Volkes Mohammeds nach Aegypten trägt. 
England spielt um seine Existenz, und dieses Spiel ruhig anzusehen, ohne auf die mög 
lichen Folgen hinzuweisen, hieße zum Verräter an der englischen Nation werden." 
Mit flammenden Protesten wandten sich die in Deutschland lebenden 
Engländer gegen ihre Regierung. Nur ein Beispiel: Lewis Hamilton, Dozent am 
Orientalischen Seminar der Berliner Universität bekennt: „Jeder Brite, der Deutsch 
land kennt, seine Friedensliebe und seinen Wunsch nach Gerechtigkeit, ist empört über 
Englands Abenteuerpolitik. Wäre es den Herren Politikern in Großbritannien ver 
gönnt wie uns, jahrelang hier im Lande zu leben, im Frieden Deutschland schätzen und 
lieben zu lernen, wäre es ihnen vergönnt, zu sehen, wie Jungens von 15 und 16 Jahren 
stundenlang mit schwerem Gewehr unter den Brücken stehen, um auch ihr Teil zum 
Schutze des Landes beizutragen, wie weißhaarige Männer sich in Uniform werfen, um 
ihr Land bis aufs Letzte zu verteidigen, dann würden sie wissen, daß hier die Stimme der 
berechtigten Empörung gegen einen schamlosen Ueberfall spricht. Daß Germanen — 
denn das sind wir Engländer — mit Franzosen, Slawen und Mongolen gegen ihre 
Blutsverwandten kämpfen, das hätte kein Brite, welcher hier in Frieden und Ruhe ge 
lebt hat, sich träumen lasten. Ich kann nur die Worte eines bekannten Engländers hier 
in Berlin wiederholen, der mir sagte: „Das ist nicht mehr das England, das 
wir in unserer Jugend kannten!" Hoffentlich wird man bald in England die Wahrheit 
kennen lernen, wie Deutschland seine „Feinde" behandelt. Ich schreibe „Feinde" in 
Anführungsstrichen, denn kein ansässiger Brite in Deutschland ist ein Feind Deutsch 
lands, sondern ein dankbarer Mitbürger." 
Das schlechte Gewissen und die Scham, die man in weiten englischen Kreisen Deutsch 
lang gegenüber empfindet, äußern sich zunächst in einer besonders rücksichtsvollen 
und liebenswürdigen Behandlung unserer zurückgebliebenen 
Landsleute. Selbst das offiziöse Organ, die „Westminster Gazette" schrieb un 
mittelbar nach der Kriegserklärung: „Wir sind den Deutschen, die unter uns leben, und 
die durch die Ereignisse der nächsten Tage vielleicht in eine peinliche Lage geraten, schul 
dig, ihnen höflich und artig entgegenzukommen. Bisher haben zwischen ihnen und uns 
die besten nachbarlichen Beziehungen bestanden, und viele von ihnen haben mit Aus 
dauer daran gearbeitet, die Beziehungen auch zwischen den beiderseitigen Regierungen 
immer besser und herzlicher zu gestalten. Man darf sie nicht schelten, wenn diese Be 
mühungen jetzt fehlschlagen, im Gegenteil, wir haben die Pflicht, unser Bestes zu tun, 
um ihre Lage hier so wenig peinlich als möglich zu gestalten."
	        
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