Volltext: Der Völkerkrieg Band 11 (11 / 1918)

D e r britische Handelskrieg 
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Das Handelsabkommen mit Dänemark, das von England Ende 1915 nach 
längeren Debatten in beiden Häusern getroffen wurde (vgl. S. 112), fand auch in Eng 
land keinen allgemeinen Beifall. In der Oberhaussitzung vom 16. Dezember 1915 griff 
Lord Portsmouth das Foreign Office an, das die Deutschen durch das dänische Ab 
kommen teils direkt aus Dänemark, teils auf dem Umwege über Schweden und Norwegen, 
mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen versorge, die den britischen Arbeitern entzogen würden. 
Er forderte eine Veröffentlichung des Abkommens, die jedoch von Lord Lansdowne im 
Namen der Regierung aus Nützlichkeitsgründen abgelehnt wurde. Die britische Politik, 
die hier von der Regierung verheimlicht wurde, hat das Blatt „New Statesman" bei der 
Besprechung dieser Oberhausverhandlungen über den Warenverkehr nach neutralen Ländern 
rücksichtslos enthüllt. Das Blatt schrieb nach der Uebersetzung der „Kölnischen Zeitung* 
<28. XII. 15): „Man darf nicht vergessen, daß unsere Seesperre gegen den Feind hauptsächlich 
auf eine Behinderung der Neutralen hinausläuft. Alle Schiffe, die wir anhalten, und durch 
suchen, sind neutrale Fahrzeuge, denn feindliche Kauffahrteischiffe befahren gegenwärtig nicht 
mehr das offene Meer. Alle diese Schiffe laufen nicht nur aus neutralen Häfen aus, sondern 
sind nach solchen bestimmt, denn der unmittelbare Verkehr mit den deutschen Nordseehäfen 
ist stillgelegt. Außerdem sind die Ladungen dieser sämtlichen Fahrzeuge, wenigstens der 
Form nach, neutrales Eigentum, von Neutralen in Fracht gegeben und für Neutrale 
bestimmt. Wenn wir uns nun auf den Seeräuberstandpunkt stellen, wenn wir die Recht 
sprechung unserer Prisengerichte einfach beiseite schieben und der Flotte freies Spiel 
lassen, d. h., wenn unsere Behörden unbegrenzte Befugnisse erhalten, um alles neutrale 
Gut anzuhalten und für verfallen zu erklären, lediglich weil Grund zum Verdacht 
vorliegt, daß das Gut für den Feind bestimmt ist oder von ihm herrührt, so wird mit 
einem Schlage das Völkerrecht, dessen Erhaltung wir für äußerst wichtig erachteten, und 
das wir unter den Dingen, für die wir zu kämpfen behaupten, in den Vordergrund ge 
rückt haben, durch unser eigenes Vorgehen verschwinden. Das Schreckbild eines gesetz 
losen britischen Marinismus, womit die deutsche Stimmungsmache vergeblich versucht 
hat, der Welt Furcht einzujagen, wird plötzlich zur rohen, unerträglichen Wirklichkeit. 
Man muß sich auch fragen, ob die Neutralen ein solches Vorgehen dulden würden. 
Ohne uns mit Krieg zu überziehen, könnten sie uns schwer treffen. In den Vereinigten 
Staaten haben wir z.B. eine Anleihe von 100 Millionen Pfund Sterling aufgenommen. 
Von dort beziehen wir für einen noch weit größeren Betrag unschätzbaren Kriegsbedarf. 
Wäre dies möglich, wenn wir uns aus den Standpunkt Lord Milners gestellt hätten? 
Auch jetzt haben wir mit britenfeindlichen Interessen in Amerika und mit einigen scharfen 
Noten Wilsons viel zu schaffen gehabt. Der Inhalt dieser Noten läßt sich nicht nur 
Mährend des Krieges, sondern auch nachher, dann vielleicht noch schwerer, vertuschen, 
wenn die mächtige Union bei der Wiederaufrichtung des Völkerrechts einen beträchtlichen 
Anteil beansprucht. Mit allen europäischen Neutralen steht es nicht anders aus. Nieder 
land und die skandinavischen Länder haben uns im allgemeinen leidlich behandelt. Sie 
liefern uns vielerlei notwendige Güter — Dänemark sendet Butter, die der Feind auch wohl 
gerne einführen möchte, Niederland Margarine, Schweden und Norwegen Holz —; sie 
erweisen uns Dienste — Norwegen durch seine Schiffe —, die wir nur sehr schwer ent 
behren könnten. 
Damit die neue Art der Seesperre, die sich tatsächlich über die neutralen Häfen hin 
zieht, sich wirksam gestaltet und gleichzeitig die Interessen der Neutralen geschont werden, 
sind Abkommen getroffen worden, so mit dem niederländischen Ueberseetrust und den 
dänischen Einbringern. Daß diese Abmachungen mit privaten und nicht mit Regierungen 
zustande kamen, liegt daran, daß bei ersteren günstigere Bedingungen gestellt werden 
konnten als eine neutrale Regierung hätte zugeben dürfen, ohne zu viel von ihrer Staats-
	        
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