Volltext: Der Völkerkrieg Band 11 (11 / 1918)

62 Der Handelskrieg bis zum uneingeschränkten Unterseebootskrieg 
größeren Dampfer in gerader Richtung auf sich zukommen. Dieser Dampfer, der — wie sich später 
herausstellte — mit der „Arabic" identisch war, wurde als feindlicher erkannt, da er keine Flagge und 
keine Neutralitätsabzeichen führte. Beim Herannahen änderte er seinen ursprünglichen Kurs, drehte 
dann aber wieder direkt auf das U-Boot zu; hieraus gewann der Kommandant die Ueberzeugung, daß der 
Dampfer die Absicht habe, ihn anzugreifen und zu ramme«. Um diesem Angriff zuvorzukommen, ließ er 
daS Unterseeboot tauchen und schoß einen Torpedo auf den Dampfer ab. Nach dem Schuß überzeugte er sich, 
daß sich die an Bord befindlichen Personen in 15 Booten retteten. 
Nach seinen Instruktionen durfte der Kommandant die „Arabic" ohne Warnung und ohne Rettung der 
Menschenleben nur dann angreifen, wenn daS Schiff entweder einen Fluchtversuch machte oder Wider 
stand leistete. AuS den Begleitumständen mußte er aber den Schluß ziehen, daß die „Arabic" einen 
gewaltsamen Angriff aus das Unterseeboot plante. Dieser Schluß lag um so näher, als er am 14. Au 
gust 1915 also wenige Tage vorher, in der Irischen See von einem großen, anscheinend der britischen 
„Royal Mail Steam Packet Company" gehörigen Paffagierdampfer, den er weder angegriffen noch 
angehalten hatte, schon aus weiterer Entsernung beschaffen worden war (vgl. S. 57). 
Daß durch das Vorgehen deS Kommandanten Menschenleben verloren gegangen sind, bedauert die 
deutsche Regierung auf daS lebhafteste; insbesondere spricht sie dieses Bedauern der Regierung der 
Vereinigten Staaten wegen deS Todes amerikanischer Bürger aus. Eine Verpflichtung, hierfür Schaden 
ersatz zu leisten, vermag sie indes selbst für den Fall nicht anzuerkennen, daß der Kommandant sich 
über die AngriffSabstcht der „Arabic" geirrt habe» sollte. Sofern etwa über diesen Punkt zwischen der 
deutschen und der amerikanischen Regierung eine übereinstimmende Auffaffung nicht zu erzielen sein 
sollte, wäre die deutsche Regierung bereit, die Meinungsverschiedenheit als eine völkerrechtliche Frage 
gemäß Artikel 38 des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle dem 
Haager Schiedsgericht zu unterbreiten; dabei setzt sie als selbstverständlich voraus, daß der Schieds 
spruch nicht etwa die Bedeutung haben soll, eine generelle Entscheidung über die völkerrechtliche Zu 
lässigkeit oder Unzulässigkeit deS deutschen UuterseebootSkrieges zu treffen." 
Die amerikanische Regierung beschloß, die deutsche Aufzeichnung über die Versenkung 
der Arabic zunächst nicht zu beantworten. Sie stellte sich aus den Standpunkt, daß die 
Veröffentlichung von Noten, die immerzu mißverstanden würden und nur Erregung hervor 
riefen, nicht zweckmäßig sei und wünschte die Angelegenheit in vertraulichen Besprechungen 
zwischen Staatssekretär Lansing und dem Botschafter Grafen Bernstorff friedlich zu regeln. 
Am 6. Oktober 1915 teilte dann Lansing mit, Graf Bernstorff habe bei einem Besuch im 
Staatsdepartement ein Schreiben überreicht, in dem Deutschland zugäbe, daß der An 
griff des Unterseeboots auf die „Arabic" den erteilten Instruktionen nicht entsprochen habe. 
Deutschland sei bereit, jedoch ohne Anerkennung einer Verpflichtung, eine Entschädigung für 
den Verlust an amerikanischen Menschenleben zu zahlen. In dem Schreiben werde weiter 
ausgeführt, der Kommandant des Unterseebootes, der die „Arabic" versenkte, sei nach seinen 
und der Besatzung dienstlichen und eidlichen Aussagen fest davon überzeugt gewesen, daß die 
„Arabic" das Unterseeboot habe angreifen wollen. Die kaiserliche Regierung habe andererseits 
den Aussagen der englischen Offiziere der „Arabic", die das Unterseeboot nicht gesehen haben 
wollen, Glauben nicht versagen wollen, und gäbe demnach zu, daß ein Rammversuch tat 
sächlich nicht vorgelegen habe. Der Angriff des Unterseeboots habe somit zu ihrem Be 
dauern den erteilten Instruktionen nicht entsprochen, was dem Kommandanten mit 
geteilt worden sei. Die Befehle des Kaisers an die Unterseeboots-Kommandanten seien so 
bestimmt, daß eine Wiederholung des Vorfalls ausgeschlossen sei. Die Frage der Schadens 
vergütung wurde in direkten Verhandlungen mit dem Grafen Bernstorff erledigt. 
Die Regierung in Washington und die amerikanische Presse waren über die Beilegung des 
„Arabic"-Falles äußerst befriedigt. Die „World" schrieb: „Keine Regierung kann in dem 
Eingeständnis des Unrechts, das sie einem befreundeten Volk angetan hat, weiter gehen als 
Deutschland. Der Krieg wird nicht ewig dauern und Deutschland wird einsehen, daß sein 
bester Freund in der großen Krisis der Präsident der Vereinigten Staaten war, der auf 
Einhaltung des Völkerrechts und der Grundsätze der Menschlichkeit drang."
	        
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