Volltext: Der Völkerkrieg Band 11 (11 / 1918)

174 D i e Türkei während des vierten Kriegshalbjahres 
bender Fragen statt. Die italienische Regierung stimmte der Verlängerung der Amtsdauer der ge 
mischten Gerichtshöfe zu. Die englische Regierung verpflichtete sich, von Aegypten die Ernennung 
eines weiteren italienischen Richters bei den genannten Gerichtshöfen zu erlangen. Die englische 
Regierung erklärte weiter, fie habe die Wichtigkeit der italienischen Interessen in Aegypten anerkannt 
und sprach sich formell für den Grundsatz der Gleichbehandlung der italienisch en Inter 
essen und Staatsangehörigen in Aegypten, auch bezüglich der Kolonialuntertanen mit den 
Bürgern, Kolonialuntertanen und Interessen jeder andern Macht aus. Unter dieser Bedingung gab 
die italienische Regierung ihre Zustimmung zu der eventuellen Aufhebung derKapitulationen 
und zur Gestaltung der gemischten Gerichtshöfe, wenn die anderen Großmächte ebenfalls ihre Ein 
willigung geben. Damit hatte Italien, wie der „Eorriere della Sera" schrieb, das englische 
Protektorat in Aegypten anerkannt. 
Ein Neutraler, der nach mehrjährigem Aufenthalt in Aegypten nach der Heimat 
zurückkehrte und die wirklichen Verhältnisse in Aegypten aus eigener Anschauung und 
Erfahrung genau kennt, hat einem Mitarbeiter der „Kölnischen Volkszeitung" (20. IV. 16) 
längere Angaben über die Schreckensherrschaft der Engländer in Aegypten gemacht, die, 
wie das Blatt bemerkt, durchaus auf Wahrheit beruhen und sich von jeder Ueber 
treibung fernhalten. Darnach spielten sich fast täglich Gewalt- und Greuelszenen ab. 
In West- und Südägypten sind zahlreiche Dörfer der Eingeborenen und Oasen der Wüste 
gleich gemacht worden. Weiber und Kinder, die nicht flüchten konnten, wurden bis zum 
letzten niedergemetzelt, wegen des unbewiesenen Verdachtes, Beziehungen zu den Senusfi 
zu haben. Bei der Räumung des Gebietes des Suezkanals haben Australier die Ein 
geborenen niedergeschossen. Weiber und Kinder mußten wochenlang unter unbeschreib 
lichen Leiden den Fußmarsch nach dem Südwesten der Sahara antreten. 
Die Landbevölkerung ist bis aufs Blut ansgesaugt. In den Städten wurden die 
Steuern unerschwinglich hoch hinaufgeschraubt. Wer nicht zahlte, wurde eingesperrt. Die 
Städter leiden namentlich durch blutige Schlägereien. Fälle von Vergewaltigung der 
Frauen, Raub, Mord und Brandstiftung durch die Australier sowie die Todesurteile 
haben sich erschreckend vermehrt. Allein in einer Woche des Februar 1916 wurden 400 
eingeborene Redifs, die gemeutert hatten, erschossen. Das Hinrichten durch Erschießen 
war noch ein mildes Vollstreckungsverfahren der Engländer. Die meisten der Todesopfer 
wurden zuerst stundenlang gefoltert und geprügelt und erst dann durch den Strang hin 
gerichtet. In ohnmächtigem, grimmigem Haß blicken die Eingeborenen Kairos zur Zitadelle 
empor, deren Geschütze drohend auf die alte Stadt des Kalifen gerichtet find. Anfang 
Mai 1916 sollen nach Amsterdamer Nachrichten aus Aden (30. V. 16) auch zwei indische 
Regimenter südlich von Kairo infolge ungenügender Ernährung gemeutert haben, wobei 
16 europäische Offiziere und annähend 100 englische Soldaten getötet worden sein sollen. 
„Das geschäftliche Leben Aegyptens, das im Jahre 1914 unter dem Eindrücke des 
Ausbruches des Krieges und der gewaltsamen Hineinzerrung des Landes in die Feind 
seligkeiten so stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, hatte", wie der „Vosstschen 
Zeitung" (19. V. 16) geschrieben wurde, „im Jahre 1915 wieder einen Anlauf zur Besserung 
genommen, die sich in den ersten Monaten von 1916 noch erheblich verstärkt hatte. Die 
Hauptursache dieser Erscheinung war in der namhaften Kurssteigerung für Baumwolle 
zu suchen, die fast wieder den Preisstand des Jahres 1913 erreichte hatte. Freilich hat 
die behördliche Anordnung, daß nur 1 / 3 des Bodens mit Baumwolle bepflanzt werden 
dürfe, dafür gesorgt, daß die ägyptischen Baumwollsträucher nicht in den Himmel wachsen. 
Das Dekret ist dann allerdings wieder zurückgenommen worden, obwohl seine Wirkung in 
rein landwirtschaftlicher Hinsicht auf die Dauer sicherlich nützlich gewesen wäre. Denn 
die ägyptischen Bauern trieben seit Jahren mit der Baumwolle Raubbau, was natürlich 
nur auf Kosten der Ergiebigkeit des Bodens und der Güte der geernteten Ware möglich
	        
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