Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

310 Die Ereignisse an der Ostfront im dritten Kriegshalbjahr 
nach seinen Siegen bei Czartorysk (vgl. S. 294 f.) das eroberte russische Winterlager zum 
Ausbau der eigenen Front ausgenützt und konnte dadurch seiner aus deutschen und 
österreichisch-ungarischen Divisionen und polnischen Legionären zusammengesetzten Armee 
einige Ruhe gönnen. Die russische Hauptarmee hatte sich über den Styr zurückgezogen, 
die versumpften Flußübergänge bei und beiderseits der Bahnstation Miedwieze der 
Bahnlinie Kowel—Sarny blieben jedoch in ihrer Hand. Darauf gestützt vollführten 
kleinere russische Abteilungen im Schutz des Sumpfgeländes Streifen innerhalb des 
linksseitigen Styrbogens, die mit Gegenstreifen nachdrücklich beantwortet wurden. All 
mählich wurden die dazu verwandten feindlichen Abteilungen immer stärker, bis ihr 
Vorgehen um die Jahreswende den Charakter eines regelrechten Angriffs angenommen 
hatte, dem jedoch trotz mehrfacher Wiederholung ein Erfolg nicht beschieden war, der 
sich aber auch auf die Stellungen der Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand am 
Korminbach ausdehnte. 
Gegen die Jkwastellungen fühlte General Brussilow, der Kommandant der mittleren 
russischen Armee, dagegen nur ziemlich lässig vor, bis er nach kurzer, aber intensiver 
artilleristischer Vorbereitung am Neujahrstag auch hier zu einem Angriff überging, der 
unschwer abgeschlagen wurde. 
General Iwanows neue Angriffstaktik 
Für die für die russische Sache als Entscheidung erhoffte Offensive an der bessara- 
bischen Grenze hatte General Iwanow, der Kommandeur der russischen Südarmee, 
auf Grundlage der Joffreschen Taktik eine neue Art des Angriffs ausgedacht, vor 
geschrieben, eingeübt und ohne jeden Erfolg angewendet. „Nach der Anweisung des 
französischen Führers wurden," wie der Kriegsberichterstatter des „Berliner Tageblatts" 
(29.1. 16) ausführte, „schmale Frontabschnitte als Angriffspunkte für den geplanten 
Durchbruch zuerst mit dem Trommelfeuer der vereinigten Artillerie — z. B. zehn 
tausend Granaten — beschossen, damit die Annäherungshindernisse und Deckungen be 
schädigt, sodann eine sorgsam für jede Aufgabe vorbereitete Infanterie in der Stärke 
von einer oder mehreren Divisionen auf kaum einen Kilometer aufgehäuft und während 
des dem Trommelfeuer folgenden Sperrfeuers in das mit Eisen und Feuer bearbeitete 
Frontstück hineingetrieben. Da jedoch zum Unterschied von der französischen Front 
im Osten die Entfernung zwischen den feindlichen Schützengräben und denen der Ver 
bündeten aus vielen Frontteilen mehr als zweihundert Schritte beträgt, ist dadurch 
die Ueberraschung erschwert, die Abwehrwirkung der verteidigenden Artillerie bedeutend 
verstärkt und eine ganz andere Häufung der Annäherungshinderniffe erlaubt. Mehrere 
Reihen Stacheldraht, Wolfsgruben, Tretminen, Maschinengewehre und Handgranaten 
stellungen haben, vereint mit der auf die entscheidenden Minuten des feindlichen 
Sturmlaufs konzentrierten Abwehrartillerie, den angreifenden Jnsanteriemassen so un 
geheueren Abbruch getan, daß die russischen Soldaten nur in den ersten Schlachttagen 
des Dezember 1915 mit wirklichem Elan stürmten, bei späteren Angriffen aber schon 
vor den Drahthindernissen stutzten und manchmal fluchtartig umkehrten, obwohl sie 
dann in das eigene Feuer der Maschinengewehre gerieten, die nach verläßlichen amt 
lichen Berichten in die weichenden Reihen der Angreifer weiterfeuerten. Im tiefgeglie 
derten Massenangriff schwangen mit hocherhobenen Händen die aus besonders aus 
gebildeten Leuten bestehenden ersten russischen Reihen Handgranaten und nur die folgenden 
Sturmreihen waren mit Gewehren bewaffnet. Dieser Taktik wegen wurde auf russische 
Infanterie in Massen, auch wenn sie keine Gewehre trug, von den Verbündeten selbst 
dann geschossen, wenn sie mit erhobenen Händen sich nähern wollten; andererseits sind 
die täglich ankommenden einzelnen Ueberläufer auf das beste behandelt worden."
	        
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