Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

268 Die Ereignisse an der Ostfront im dritten Kriegshalbjahr 
Da — ein Transport Schwerverwundeter. Ein trauriger Gänsemarsch zweirädriger 
Wagen und der landesüblichen Breitschlitten. Todesblasse Gesichter, zerstückelte Leiber. 
Verbundene Schädel, Hände, Füße. Mitleidslos peitscht der Regen auf sie nieder. 
Das rüttelt und schüttelt die Zerbrochenen ohne Unterlaß. Ein Weg ohne Fahrrinne, 
Stein an Stein und Schmutz über Schmutz. Ein beständiges Hinüber, Herüber, von 
einer Seite zur anderen. Ringsum ein schweres Schweigen. Kein Laut, kein Stöhnen, 
keine Klage. Die Karawane des Kriegsjammers. 
Nun erreichen diese stillen Märtyrer die Bahnstation. Sofort werden sie umringt, 
von Fragen erdrückt. Da ist es, wie mit einem Schlage mit dem tödlichen Schweigen 
vorüber. Die blassen Lippen öffnen sich, brennende Augen beginnen zu erzählen. Was? 
Vom Erfolg, vom Erfolg. Für sie ist er da. Denn es gilt ihnen die Hoffnungen und 
Wünsche, die sie in sich tragen, für die sie leiden und gelitten haben, für die sie viel 
leicht das noch schwach atmende Leben hingeben müssen — auch anderen mitzuteilen. 
Auch den anderen, den Brüdern, den Glauben an den Erfolg einzuimpfen. Diese 
wundenbedeckten Helden sind es, die jene Atmosphäre übertriebener. Vorstellungen von 
Siegen um sich verbreiten . . ." 
^Nachts im Unterstand 
Von Erwin Bergbaus 
Drinnen im Unterstand. Der Mann neben dem Fernsprechkasten schreibt einen Brief. 
Ab und zu legt er den Stift, der leise übers Papier hingriffelt, nieder, greift nach dem 
Hörer, stützt den Kops in die Linke und lauscht. Lauscht und schweigt selber mäuschen 
still. Drüben nämlich sitzt irgendwo einer und spielt Mundharmonika. Bläst in den 
Apparat hinein und die Telephonisten haben nah und fern ihre Freude daran. 
Ratten rascheln unter den Pritschen. Hin und wieder hallen Schritte vor der Tür, 
knarrt die Tür. Dann dreht der Mann am Fernsprecher den Kops, und auch wir 
blicken auf, die wir in Halbschlaf dämmern. Die einander ablösenden Grabenposten 
poltern die Stiege herab. Unter ihren Füßen, die nie trocken werden, knirscht zdie 
Nässe. Dann lockt die Leute das Lager; wer da draußen stand, schläft gut. Ein selt 
samer Gast turnt zur Klause herein: hat nur einen Stiesel an und trägt den andern 
unterm Arm; ein dem Moorbad Entsprungener. Der Horchposten. Der Mann, der 
dem Feind noch einen Steinwurf näher an den Leib kroch, zwei Stunden in eitel 
Waffer hockte und aus dem Rückweg den Strumpf aus dem Stiefel zog — der stecken 
blieb. Und der Mann lacht, lacht, als sei's der Abenteuer allerdrolligstes. 
Im Wellblech klirrt es, das Wachslicht flattert. In der Oberwelt wütet ein dumpfer, 
wirbelnder Wetterschlag, stampft in rasenden Läufen über das Grabengewirr. Feuer 
überfall, 30 Sekunden-Tempo-Trommelseuer. Die Arbeiter draußen hasten herein ins 
sichere Loch, kommen lachend gerannt. Lachend: das ging noch einmal gut! Während 
der Hall des letzten Einschlags noch über der Erde schwebt, gucken neugierige Augen 
ins Freie, nimmt das Nachtwerk wieder den alten Gang. Das Mikrophon summt 
„Drei Meter Graben verschüttet." Das bedeutet hundert Stunden Arbeit. 
Von neuem ist Ruhe in dem stillen Gemach. Man versucht sich im Schlummern, 
träumt, zieht die Decke über den Kopf, durch die der Kerzenschein blinzelt. Spürt ein 
Gewicht auf dem Schenkel, ruckt, und das Ding torkelt von dannen. Eine Ratte... 
Man dämmert weiter; träumt; wacht. Draußen ein wuchtender Wirbel, Donnerhall: 
eine Mörsergruppe. Aber weit, weit von hier... Das Telephon näselt, der Mann 
nimmt eine Depesche aus. Die allnächtliche, die in alle Fernsprechkästen der Westfront 
gesprochen wird. Wiederholt die Worte. Und man träumt; wacht. Hört Stimmenschall, 
der wie aus fremder Welt klingt. „... Ostende, Riga ... Balkan. Montenegro ..
	        
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