Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

154 Die Ereignisse an der Ostfront im dritten Kriegshalbjahr 
Die Beute 
Die Beute war ungeheuer: 90000 Gefangene, darunter 15 Generale und über 1000 
Offiziere, 1640 Geschütze, 103 Maschinengewehre, 160000 Schuß Artilleriemunition, 
7000000 Gewehrpatronen und ungeheure Vorräte an Schanzmaterial, Ausrüstungs 
gegenständen und Lebensmitteln, Korn, Mehl, Fleisch und Konserven, dazu zwei Mil 
lionen Rubel in Gold. Allerdings war die innere Zitadelle vollkommen ausgebrannt 
und die Narewbrücke gesprengt; dagegen war das eigentliche Militärlager, Schuppen, 
Kasernen, Laboratorien, Munitionsdepots, Lazarette und Offizierswohnungen mit kleinen 
Gärten, alles Holzbauten, größtenteils erhalten. Auch das gewaltige Getreidemagazin 
am Südufer der Weichsel war gänzlich unversehrt. 
Der dänische Artillerieleutnant H. K. A. Selding, der im Herbst 1915 Polen be 
suchte, hat in einem Vortrag, den er in Kopenhagen über seine Reise hielt, nach der 
„Frankfurter Zeitung" (30.1.1916) u. a. mitgeteilt, „daß in jedem der unversehrt er 
halten gebliebenen 34 großen Kühlräume der Festung 500 Stück geschlachtetes Vieh 
lagerten, von denen jedes Stück 150 bis 200 Kilo wog; daneben standen 5500 Fässer 
mit bester Butter, 60 Kilo in jedem Faß. In andern Räumen fand man drei Mil 
lionen Bottiche mit Konserven, 4000 Tonnen Mehl, 29000 Kilogramm Tee, 5000 Kilo 
gramm Zwieback und viele andere Eßwaren, im ganzen Vorräte für 100000 Mann 
aus drei Jahre. Die Kühlanlage war von der Firma Borstg in Berlin eingerichtet 
und war gerade fertig geworden, als der Krieg ausbrach." Die Zahlen geben einen 
Begriff von der Größe und Bedeutung von Nowo-Georgiewsk, lassen aber auch er 
kennen, daß die russische Heeresleitung plante, die Festung bis zum Beginn der Früh 
jahrsoffensive 1916 zu halten. Munition und Verpflegung waren für ein volles Jahr 
vorhanden und schon lagerten vor den Magazinen Kähne voll Pelze und Wintermützen, 
die nun den deutschen Heeren zugute kamen. 
Die Zustände,in Nowo-Georgiewsk vor dem Fall 
„Wir hatten Befehl, uns wenigstens acht Monate lang zu halten. Meine demorali 
sierten Truppen machten aber jeden Versuch eines ernsten Widerstandes zu schänden," 
erklärte der Kommandant General Bobqr, dem man auch in persönlicher Beziehung 
manche verwunderlichen Eigenschaften nachsagte, nach seiner Gefangennahme. „Und es 
ist wahr," schrieb ein Offizier der „Frankfurter Zeitung" (15. X. 1915), „viele der in 
Nowo-Georgiewsk gefangen genommenen Leute gehören dem: „Schipp-schipp-Hurrah"- 
Kommando, den mit der Waffe nicht ausgebildeten Druschen (Reichswehr) an; aber 
darunter sind eine ganze Menge gesunder kräftiger Männer, die in der langen Zeit von 
Oktober bis Juli — wenigstens zum Verteidigungskrieg — leicht hätten ausgebildet 
werden können. Die Offiziere ihrerseits machen dem Oberbefehlshaber den Vorwurf 
der Feigheit und behaupten, sie hätten die Festung nicht ausgeliefert! Warum aber 
haben sich so viele von ihnen fast ohne Schwertstreich ergeben? Vielleicht sind die Ge 
rüchte wahr, daß in den letzten Tagen vor dem deutschen Einmarsch eine Art von 
Soldatenmeuterei in der Festung stattgefunden hat? Jedenfalls beklagte sich ein russischer 
Oberst, daß ihm seine 25000 Rubel von den eigenen Soldaten „abgenommen" wurden. 
Hören wir nun die Aussagen der Soldaten: „Wir haben es satt, uns abschlachten 
zu lassen, während die Offiziere mit den barmherzigen Schwestern, weit hinten, im 
sicheren Versteck Orgien feiern," sagte ein stämmiger Soldat und seine Kameraden nickten 
Beifall. Wir sind keine „Strojewije" (Kampfsoldaten), uns hat man nur zur Arbeit 
einberufen, sagte ein anderer, nicht minder kräftiger Kerl, der zur Reichswehr ge 
hörte, weil er anfangs besonderer Privilegien wegen nicht als Soldat eingezogen worden 
war! Wer hat nun Recht? Wenn man die Aeußerungen der Soldaten mit denjenigen
	        
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